Herr Umbach, Sie haben mit RhineCleanUp am Samstag deutschlandweit 300 Tonnen Müll gesammelt. Angesichts dieser Menge muss man sich fragen: Wie geht es dem Rhein?
„RhineCleanUp“ in Düsseldorf „Wir verstehen uns nicht als reine Müllsammler“
Düsseldorf · 26 Tonnen Abfall allein in Düsseldorf – doch der Gründer versteht „Rhine-Cleanup“ nicht als reines Müllsammeln.
Der „RhineCleanUp“, ein großer Aktionstag zum Müllsammeln, ist zwar erst wenige Jahre alt, lockt aber deutschlandweit Zehntausende Freiwillige an. Mehr als 50 Gruppen waren am Samstag allein in der NRW-Landeshauptstadt aktiv. Über 5000 Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche haben geholfen, das 41 Kilometer lange Rheinufer zwischen Wittlaer und Urdenbach aufzuräumen. Die Awista meldete insgesamt eine Müllmenge von 26 Tonnen. Ganz vorne mit dabei: Initiator Joachim Umbach, der die Initiative 2018 in Düsseldorf gründete. Im Interview spricht Umbach über das rasante Wachstum der Aktion, über die Verzweiflung angesichts der Müllmengen und er erklärt, warum das Sammeln eigentlich Nebensache ist.
Joachim Umbach: Die Wasserqualität des Rheins hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. In den 70er- bis 90er-Jahren gab es große Probleme damit, dass Firmen ihre Giftstoffe ungefiltert abgeleitet haben. Das gibt es heute nicht mehr. Es existieren mittlerweile gute Kontrollfunktionen, durch die das sofort auffallen würde. Das Problem heute ist der Müll, der an den Ufern liegt. Vor allem Plastik in all seinen Facetten, egal ob als große Flasche oder als Mikroplastik.
Warum ist das so verheerend?
Umbach: Die Müllmengen sind einfach sehr viel größer geworden. Schon jetzt wabern in den Weltmeeren 150 Millionen Plastikmüll herum. Das ist ein riesiger Berg, der sich in den nächsten Jahrhunderten nicht auflöst. Der Müll aus den Flüssen kommt also noch hinzu, im Jahr sind das acht bis zwölf Millionen Tonnen. Der Berg wächst also immer weiter. Deshalb müssen wir den Abfall schon an den Flüssen einsammeln, damit er gar nicht erst in die Meere gelangt.
Das sind wahnsinnige Mengen, von denen wir sprechen. Fühlen Sie sich manchmal wie Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft?
Umbach: Wenn man die reinen Zahlen nimmt, könnte man tatsächlich verzweifeln. Natürlich hilft es, wenn wir 300 Tonnen Müll entfernen, die Aktionen sind richtig und wichtig. Aber wir verstehen uns nicht als reine Müllsammler. Unser Hauptanliegen ist es, ins Bewusstsein der Menschen vorzudringen. Wir haben RhineCleanUp so groß aufgezogen, damit wir auffallen. Im besten Fall lassen die Leute dann gar keinen Müll mehr an den Flussufern liegen.
Sie waren lange als Journalist tätig, zuletzt als Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung. Sie haben also mal etwas ganz anderes gemacht. Wie sind Sie zum Umweltschutz gekommen?
Umbach: Ich habe mich schon als Journalist intensiv mit Umweltthemen beschäftigt, aber nicht in der Rolle als Aktivist. Das ließ sich nicht mit meinem Grundverständnis als Journalist und neutraler Beobachter vereinbaren. Dann bin ich in Rente gegangen und die Zeit war gekommen, in der ich mich selbst engagierten konnte. Zusammen mit einem guten Freund – Ingo Lentz, früher Sprecher der Messe Düsseldorf – habe ich dann RhineCleanUp ins Leben gerufen. Angefangen haben wir ganz bescheiden hier am Rhein mit 30 Gruppen.
Wie viele sind es heute?
Umbach: Mehr als 1000 Gruppen in Deutschland und im angrenzenden Ausland. Die sind am Rhein und an 28 weiteren Flüssen aktiv. Vor allem am Rhein und an den anderen großen Flüssen erfahren wir starken Zuspruch. Am Niederrhein gibt es keine einzige Kommune, die nicht mitmacht. In Düsseldorf kommen wir mittlerweile auf mehr als 50 Gruppen.
Das ist ein rasantes Wachstum in nur sechs Jahren.
Umbach: Wir sind eine Bewegung geworden. An den Aktionstagen beteiligen sich bis zu 50 000 Leute, da kommt man schnell auf 300 Tonnen gesammelten Müll an einem Tag. Wir sind aber längst nicht mehr auf einen Tag fixiert, sondern das ganze Jahr unterwegs. Allein in diesem Jahr hatten wir 300 Veranstaltungen von März bis September. Die Unterstützung ist groß und wir sehen aktuell keine Rückläufigkeit. Für mich ist RhineCleanUp ein Fulltimejob geworden.
Wer beteiligt sich an den Aktionen?
Umbach: Das ist ein ganz bunter Mix. Vereine, Initiativen, Parteien. Es machen auffällig viele junge Familien mit. Meist sind es sogar die Kinder, die ihre Eltern an das Thema heranführen, weil sie das in der Kita oder in der Schule behandelt haben. Wir bieten mittlerweile auch Firmen-CleanUps an. Das macht einen großen Teil der unterjährigen Veranstaltungen aus.
Wie hat sich das Müllaufkommen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Umbach: Die Corona-Pandemie hat dem Müllaufkommen leider einen Schub gegeben. Die Tendenz war, dass die Menschen viel mehr im Online-Handel bestellt haben – es gab also mehr Verpackungsmüll. Dann kamen noch die To-Go-Geschäfte der Restaurants hinzu. Beides hat sich seitdem nicht wirklich verändert.
Was kann man dagegen tun, abgesehen vom Müllsammeln?
Umbach: Es gibt Kommunen, die schon sehr aktiv sind. In Düsseldorf helfen die großen Saisontonnen, die im Sommer zusätzlich in den Parks aufgestellt werden. Wenn man den Menschen ein Angebot macht, um den Müll zu entsorgen, dann nutzen die meisten das auch. In vielen Fällen fehlen einfach die Möglichkeiten. Das sieht man auch bei Zigarettenkippen an Haltestellen. Da müsste es viel mehr Aschenbecher geben.
Zurück zu den Sammelaktionen. Was waren die skurrilsten oder erschreckendsten Dinge, die Sie gefunden haben?
Umbach: Das Dramatischste war ein ausgesetzter Hundewelpe in einem Körbchen. Den hat eine Gruppe in Süddeutschland gefunden und ihn ins Tierheim gebracht. Mittlerweile hat er ein neues Zuhause bei einer Familie gefunden. In Düsseldorf haben wir mal in der Nähe der Rheinkniebrücke eine goldene Uhr gefunden. Irgendwie haben Nachbarn davon erfahren und den Besitzer ausfindig gemacht. Ansonsten entdecken wir immer wieder Großgeräte wie Kühlschränke. Mal einen Safe, in dem leider nichts drin war. Einmal haben wir eine Schusswaffe gefunden, ein anderes Mal Ecstasy in einem Drogenversteck in Oberkassel. Beides haben wir natürlich der Polizei übergeben. Die Kölner Gruppen sind mittlerweile spezialisiert auf E-Roller, die sie aus dem Wasser ziehen. Das ist in Düsseldorf kein großes Thema.