Einkaufsstraßen Die Benderstraße: Für einen Plausch zwischendurch ist immer Zeit
Düsseldorf · Der umstrittene Umbau hat Spuren hinterlassen. Viele Geschäftsleute kritisieren, die Einkaufsstraße hätte gelitten. Hinzugezogene merken davon nichts. Sie schätzen das große Sortiment und die vielen inhabergeführten Läden.
Früher war Ursula Hesselbarth fast täglich hier. Stöbern nach ihrer Schicht im Sana Krankenhaus. Seitdem hat sich viel verändert. Strauss fehle. Da habe sie immer etwas gefunden. Kleinigkeiten, Deko-Artikel, mal einen Pullover. „Jetzt lerne ich die Benderstraße neu kennen. Sie sieht heute ganz anders aus“, sagt sie.
Von dem knapp zehn Millionen Euro teuren Umbau hat die Rentnerin nichts mitbekommen. Wohl aber davon, wie umstritten das Projekt bei vielen Händlern und Anwohnern war. Viele von ihnen hielten den Umbau für überflüssig und befürchteten zu große Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten. Die Straße funktioniere auch so, mit oder gerade wegen des Parkens und Haltens in zweiter Reihe. Daran wollte man festhalten. Aber der Umbau kam.
Heute hat die Benderstraße in Gerresheim in beiden Richtungen jeweils eine 4,30 Meter breite Fahrbahn, die sich Autos, Fahrräder und Bahn teilen. Die Haltestellen sind alle barrierefrei. Auf beiden Straßenseiten sind Parkbuchten entstanden, die mit Parkscheibe genutzt werden können. Parken in zweiter Reihe ist nicht mehr möglich.
Die Gehwege wurden auf teilweise vier Meter verbreitert. Das freut vor allem junge Familien, die mit dem Kinderwagen und Laufrad fahrenden Kindern entspannt nebeneinander gehen können. Pia Kunz ist vor vier Wochen Mutter geworden. Ihr Blick ist für genau solche Dinge geschärft. „Ich finde das toll, dass man hier zu zweit mit Kinderwagen entlanglaufen kann“, sagt sie. Gerade kommt sie mit ihrer Tochter von der Osteopathie, dann geht es zurück nach Oberbilk, vorher wird aber noch die Eisdiele Cescon getestet. Die hat die Hebamme empfohlen. „Eine nette Straße ist das hier. Nicht so laut wie in Oberbilk. Aber trotzdem nicht spießig. Sehr schöne Geschäfte gibt es“, sagt sie. Dann stellt sie sich in die Reihe für das Vanilleeis an.
Die 1,2 Kilometer lange Einkaufstraße hat mehr zu bieten als zwei Eiscafés – oder sogar drei, wenn die am Kölner Tor mitgerechnet wird. Inhabergeführte Läden dominieren, einige existieren seit Jahrzehnten. Hinzugezogene Eltern mit kleinen Kindern und Anwohner, die schon als Kinder in den Geschäften einkauften, schätzen es, auf der Benderstraße alles für den täglichen Bedarf zu finden und darüber hinaus noch zu stöbern.
Fast scheint es, als sei die Zeit stehengeblieben: Während anderswo über das Aussterben von Metzgern geklagt wird, zählt man auf der Benderstraße gleich drei. Auch die Gerresheimer Bücherstube schafft es, sich neben der nur wenige Meter entfernten Mayerschen weiter zu behaupten. Und bei Bäcker Schmalz wird seit 40 Jahren gebacken wie zu Omas Zeiten, alle Backwaren werden von Hand hergestellt. Daneben reihen sich Feinkost-, Gemüse- und Blumenläden, Restaurants, Cafés und Gastwirtschaften, eine Änderungsschneiderei, Apotheken, Boutiquen für alle Altersgruppen und Preissegmente, Bankfilialen , Edeka, Tchibo, Frisöre, eine Parfümerie und eine für Familien so unentbehrliche Drogerie, in diesem Fall Rossmann, aneinander.
Im Spielwarengeschäft „Hobby und Spiel“ ist Inhaberin Rosi Offermanns gerade ins Gespräch mit einer Kundin vertieft. Es geht um die vergangene Nacht, die das Baby mal wieder zum Tag gemacht hat. Und essen, das sei zurzeit die reinste Katastrophe. Es sind Kundengespräche, wie sie oft vorkommen, und Rosi Offermanns hat nicht nur Interesse an den Alltagsproblemchen ihrer Kunden, sondern auch Zeit, sich ihnen zu widmen. Vier festangestellte Verkäufer beraten in dem Ladenlokal, das ihr Großvater gründete und das sie 2002 dann von ihrem Vater übernahm. Und so kennt Rosi Offermanns das anspruchsvolle Publikum auf der Benderstraße, das individuelle und inhabergeführte Geschäfte vorzieht, die Ausbreitung von Ketten und „Billigläden“ unbedingt verhindern will — und das nötige Geld mitbringt.
Den Umbau hat Offermanns äußerst kritisch beäugt. „Das Parken ist seit dem Umbau schwieriger geworden. Das merken wir. Es ist deutlich weniger Betrieb auf der Straße“, sagt sie. „Früher hielten die Autos mal in zweiter Reihe, ein Verkehrschaos hat das nicht verursacht. Die Straße hat einfach funktioniert.“
Schräg gegenüber bei „Frau und Fräulein“ steht noch das benutzte Teeglas auf dem Tisch in der Sitzecke, der Kunde ist bereits gegangen. Der sei Autor und komme regelmäßig in den Laden, weil er hier Inspiration finde, sagt Inhaberin Judith Schipper. In ihrem „Concept-Store“ schenkt sie Kaffee und Tee aus, verkauft aber hauptsächlich Kleidung, Schuhe, (vegane) Taschen, Accessoires und Seifen. Im Laufe der Jahre hat sich ihr ursprüngliches Konzept, Frauen und deren Kinder Schuhe zu verkaufen, zu einem Gemischtwarenladen mit hochwertigen Produkten für Frauen entwickelt.
Auch sie hat unter der Baustelle gelitten. Bei dem Umbau hatte sie ihr Ladenlokal zwar noch am Ende der Benderstraße, am Kölner Tor, „aber der komplette Stadtteil wurde von Kunden gemieden und so auch mein Laden“. Als weiter oben auf der Benderstraße ein Ladenlokal frei wurde, zögerte sie nicht lange und zog um. „Ich habe auch immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, es in Hilden oder in Oberkassel zu versuchen. Aber hier in Gerresheim bin ich verwurzelt. Meine Kunden gehen mit meinen Hunden spazieren, wenn ich nicht aus dem Laden komme“, sagt sie. Ob man sich so etwas auch anderswo aufbauen könnte, sei fraglich.
Florist Christian de Waard hat es versucht. Vier Jahre lang war er der Benderstraße untreu, hatte sein Geschäft an der Sternstraße, „mitten auf der Kreuzung, es war furchtbar laut und hektisch“, sagt er.
Seit Mai ist er zurück, im gleichen Ladenlokal wie früher in der Hausnummer 56 und wieder mit einem großen Blumensortiment.
Authentischer und freundlicher seien die Kunden in Gerresheim, sagt de Waard. Und kaufkräftiger.