Weihnachten Von Hofgarten bis Hosen-Konzert – die großen Geschenke an Düsseldorf

Düsseldorf · Die Stadt wurde in ihrer Geschichte reich beschenkt – mit Orten, Kunst und Musik. Bis heute bereichern uns die großen und kleinen Gaben, der Hofgarten ebenso wie ein Konzert der Toten Hosen. Zeit für ein Dankeschön. Von Verena Kensbock und Uwe-Jens Ruhnau

Ein Geschenk soll überraschen und persönlich sein, nicht zu dick auftragen, aber zugleich etwas, das man sich selbst nicht gönnen würde, mit Bedacht gewählt und natürlich hübsch verpackt. Das perfekte Geschenk zu finden, ist schwierig und doch gelingt es hin und wieder. Auch Düsseldorf und die Düsseldorfer wurden reich beschenkt, mit Orten, mit Kunstwerken und Musik. Nicht selten waren diese Gaben aus der Not geboren, sie entstanden, um etwas zu bewahren, das sonst verloren gegangen wäre. Und selbst die Geschenke, die schon Jahrhunderte alt sind, erfreuen uns bis heute.

In diesen Monaten erwägt Düsseldorf ein sehr großes Geschenk an sich selbst: eine neue Oper. Diese dürfte, wenn sie denn wirklich gebaut wird, eine Milliarde Euro kosten. Auf den Königsbau der Kultur zu verzichten, ist für die meisten Düsseldorfer wohl keine Option. Leider ist kein Gönner in der Nähe wie Arnold Mærsk Mc-Kinney Møller, der Kopenhagen die dänische Nationaloper geschenkt hat. Die kostete vor rund 20 Jahren ein Drittel dieser Summe. Was jedoch für heimatverbundene Schenker mindestens genauso wichtig ist wie eine Investitionsentscheidung, ist zu erkennen, in welcher Tradition man steht, mag man sie nun fortsetzen oder nicht. Mit Blick auf Düsseldorf heißt das: Die Oper, die Kultur insgesamt gehört zur Seele dieser Stadt. Wenn das nicht mal ein großes Geschenk ist. Das Leben wäre trister und die Stadt grauer, wenn es das Schicksal anders mit uns gemeint hätte.

Die erste Oper in Düsseldorf gab es vor fast 330 Jahren. Es ist kein Zufall, dass die Idee dazu von einer Adeligen stammte. Nur die Herrscher waren zu dieser Zeit in der Lage, solche Einfälle zu verwirklichen. Die Stadt hatte damals rund 7000 Einwohner. Die Initiative für die vergleichsweise bescheidene Kurfürstliche Oper kam von Anna Maria Luisa de Medici, der zweiten Frau Jan Wellems. Diesem prachtverliebten Kurfürsten hat Düsseldorf viel zu verdanken, er war gewissermaßen selbst ein Geschenk für die Stadt. Anna Maria jedenfalls wünschte sich eine Oper und die wurde an der Mühlenstraße in Höhe des ehemaligen Amtsgerichts errichtet. Das geschah in nur vier Monaten, der Bau hatte die Maße von 34 mal 17 Metern. Die erste Aufführung gab es zu Karneval 1696.

In den folgenden Jahren kam es zu insgesamt 25 Neuaufführungen und die gebürtige Florentinerin Anna Maria, Tochter eines leibhaftigen toskanischen Großherzogs, stiftete jährlich 80 000 Gulden aus ihrer Privatschatulle für den Opernbetrieb. Als Jan Wellem 1716 starb, ging die Witwe zurück nach Italien und Carl Philipp, der Bruder Jan Wellems, löste die Oper auf.

Einiges aber blieb und ist wie ein Geschenk, das der Stadt in den Schoß gefallen ist. So ist das Reiterstandbild Jan Wellems auf dem Marktplatz vor dem Rathaus ein Wahrzeichen Düsseldorfs. „Aber eigentlich war es gar nicht für diesen Ort geschaffen worden“, sagt Benedikt Mauer, der Leiter des Stadtarchivs. 1711 hatte der Bildhauer Grupello das Standbild in Bronze gegossen. „Es war für das Schloss in Bensberg gedacht, das Jan Wellem beauftragt hatte“, so Mauer. Dann aber starb der Kurfürst, der als einziger Regent dieser Güte so lange in der kleinen Stadt am Rhein residiert hatte. Das Schloss im Bergischen war noch nicht fertig – sodass das Standbild einfach blieb, wo es war, und das bis heute. Die Düsseldorfer hängen an diesem Denkmal, auch wenn sie es nicht dankbar zu Ehren Jan Wellems gestiftet haben, wie die goldene Inschrift auf dem Sockel weismachen will.

Der Ruf als Kunststadt lässt sich auch auf den barocken Kurfürsten zurückführen. Er kaufte überall in Europa Gemälde und war einer der ersten Schlossherren, die dafür ein eigenes Gebäude errichteten. Seine Gemäldegalerie bestaunten Johann Wolfgang von Goethe und Thomas Jefferson, der spätere dritte Präsident der USA. Der Bau ist teils erhalten und gehört zum Rathaus-Komplex.

Das größte Bild schmückt heute den größten Saal im gerade wieder eröffneten Kunstpalast: „Die Himmelfahrt Mariae” von Peter Paul Rubens ist 4,29 mal 2,84 Meter groß und wiegt mit Rahmen 350 Kilogramm.

Der Präsentkorb war für Düsseldorf aber auch nach Jan Wellem gut gefüllt. Großzügig gegenüber der schönsten Stadt am Rhein war vor allem Carl Theodor, der sich zwar im 18. Jahrhundert nur drei Mal hier blicken ließ, aber weitreichende Entscheidungen fällte. Er setzte zwar nicht alle Pläne Wellems für eine Stadterweiterung um, aber die Carlstadt gibt es nur, weil er sie errichten ließ. Das neue Schloss Jägerhof verdankt die Stadt dem Kurfürsten von der Pfalz und Bayern, der zudem den Bau von Schloss Benrath anordnete. Für die Bürger noch wichtiger: Er ließ den Hofgarten umgestalten und öffnete ihn für die Düsseldorfer.

Es ist ein Geschenk, das bis heute überdauert: Der Hofgarten und viele weitere Parks in Düsseldorf sind nicht nur grüne Flecken und Treffpunkte in der Stadt, sie sind auch Sportflächen und Konzertsäle. Um dieses Geschenk anzunehmen, braucht es manchmal nur eine Matte, ein Handtuch und ausreichend Puste – fast das ganze Jahr lang trainieren Tausende auf den Wiesen bei „Sport im Park“. Man kann sich beim Yoga verbiegen, beim intensiven Fitnesstraining schwitzen, beim Zumba ausschütteln, bei Qigong zur Ruhe kommen. Rund 35 000 Menschen machten allein in diesem Jahr mit, meldete die Stadt, so viele wie nie zuvor. Für viele Düsseldorfer sind die Kurse zum festen Bestandteil des Sommers geworden. Das bestätigte Sportdezernentin Britta Zur zum Ende der Saison. Sie sprach über einen besonderen Teamgeist in den Kursen und Freundschaften, die sich über den Sport entwickelten. Und sie erzählte von einer älteren Dame. „Die berichtet, dass sie endlich wieder ohne Gehhilfe laufen kann.“ Auch in den kalten und dunklen Monaten ist nicht ganz Schluss, im Januar sollen die neuen Kurse in der Winteredition beginnen.

Der Hofgarten ist auch Schauplatz für Konzerte. Im Sommer erklingt sonntags um 11 Uhr Musik am Pavillon nahe der Jägerhofallee. Seit 1964 gibt es die Reihe Hofgartenkonzerte. Man kann sich einfach dazusetzen, viele bringen Camping-Stühle und Decken mit und lauschen unter freiem Himmel: Bands spielen Swing und Jazz, es stehen Singer-Songwriter auf der Bühne, es läuft Orchestermusik. In diesem Jahr wäre die Konzertreihe erstmals fast ausgefallen. Denn die Planung der Veranstaltung ging über von Düsseldorf Tourismus zu D.Live. Und die Hofgartenkonzerte wären neben den Großveranstaltungen beinahe schlicht hintenübergefallen. Doch schon jetzt steht fest: 2024 wird dieses Geschenk den Düsseldorfern erhalten bleiben.

Auch die Profis der Deutschen Oper am Rhein verlegen ihren Konzertsaal zuweilen unter den freien Himmel. Zuletzt spielte die „Oper für alle“ im September im Rheinpark in Golzheim. Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Axel Kober präsentierten elf Solistinnen und Solisten, der Chor der Oper und die Düsseldorfer Symphoniker Höhepunkte aus zehn verschiedenen Opern. Der Andrang ist jedes Mal riesig – 17 000 Menschen kamen diesen Sommer zu der besonderen Aufführung, die auf zwei LED-Wände übertragen wurde, damit man die Künstlerinnen und Künstler auch aus der Ferne beobachten konnte.

Am 1. September 2013 entstand eines jener Präsente, die aus der Not geboren wurden und wohl lange in Erinnerung bleiben. An diesem Sonntag um 21.26 Uhr gingen die Lichter aus im Rather Dome, fünf Männer traten auf die Bühne – die Toten Hosen. Campino fragte: „Seid Ihr bereit für ein bisschen Lärm?“ Sie waren bereit. Die Düsseldorfer Band nannte es „Familienfeier“, das Benefizkonzert zur Rettung der DEG.

Der Eishockey-Verein steckte zu dieser Zeit in finanziellen Schwierigkeiten, bangte gar um seine Existenz. Zur Hilfe kam niemand Geringeres als die Toten Hosen, die wohl berühmtesten Anhänger der DEG.

Um den Verein zu retten, gaben sie ein Konzert. 11 500 Fans kamen in die Arena, eine rot-gelbe Masse auf den Tribünen und im Innenraum sang mit, tanzte, klatschte. „Strom“, „Weil du nur einmal lebst“ und „Altes Fieber“ – die Toten Hosen spielten all ihre Hits. Die Aktion brachte mehrere Hunderttausend Euro ein und die DEG gibt es bekanntlich bis heute.

Andere beschenken zu wollen, ist der Kern von Gemeinnützigkeit. Und in Düsseldorf gibt es ein Event, von dem viele wohl gar nicht wissen, dass ein Verein dahintersteckt: die Rheinkirmes. Mit jährlich rund vier Millionen Besuchern gehört es zu den größten Volksfesten in Deutschland, wird aber ehrenamtlich organisiert. Vergleichbare Feste liegen in den Händen der Stadtverwaltungen. In Düsseldorf aber ist es der Schützenverein St. Sebastianus, der jedes Jahr für zehn Tage Rummel auf den Rheinwiesen sorgt. Der Ursprung dieser Tradition liegt im Mittelalter. Seit dem Jahr 1435 findet das Vogelschießen statt – zu Ehren des Stadtpatrons St. Apollinaris von Ravenna (Namenstag am 23. Juli) und als Kirchweihfest der katholischen Basilika St. Lambertus. Das Volksfest wuchs rasant. Im 16. Jahrhundert lockte die Rheinkirmes sogar die Brautwerber des damaligen englischen Königs Heinrich VIII. an, die sich dessen künftige Ehefrau Anna von Kleve anschauen wollten. Einschneidend war die Verlegung auf die linke Rheinseite. Seit 1901 ist die Rheinwiese in Oberkassel der Austragungsort der Kirmes. Mit dem Ortswechsel stiegen die Besucherzahlen immer weiter und das Fest wurde verlängert. In den 1970er-Jahren kam erstmals das Name „Größte Kirmes am Rhein“ auf. In diesem Jahr hat der Verein den Namen offiziell geändert: Das Fest heißt nun so, wie es im Volksmund bereits seit Jahren bekannt ist: Rheinkirmes.

Zurück in die Vergangenheit und zu einer Entscheidung von großer Tragweite: Die Gründung einer Zeichen- und Malerakademie durch Carl Theodor, aus der die Düsseldorfer Kunstakademie wurde. So kann es gehen: Manche Geschenke sind zunächst zarte Pflanzen, die dann ein langes Leben und große Wirkungen entfalten – dieses Jahr feiert die Kunstakademie ihr 250-jähriges Bestehen. Nur kurz nach Carl Theodor, der 1799 starb, spielte Napoleon eine wichtige Rolle. Der berühmte Spruch, Düsseldorf sei Klein-Paris, kam zwar nicht aus dem Mund des Korsen (sondern von seinem Staatssekretär von Roederer), aber Napoleon bescherte Düsseldorf ein mit Geld versehenes Verschönerungsdekret, das er nach seinem dreitägigen Besuch in der Stadt 1811 ausfertigte. Es war quasi ein Weihnachtsgeschenk, denn der Kaiser unterzeichnete es am 17. Dezember.

Seine Wünsche dachten laufende Arbeiten weiter. Das Schleifen der alten Festungsanlagen hatte begonnen, der Kaiser schenkte die Anlagen und Flächen der Stadt, ordnete aber an, an ihrer Stelle Parkanlagen zu schaffen. So entstand unter anderem der Napoleonsberg im Hofgarten und auch zwei Brücken über die heutige Kö wurden nur geschlagen, weil es Napoleon so wollte. Sein Wunsch, das Schloss am Rhein wieder aufzubauen und darin eine Universität einzurichten, wurden jedoch ebenso wenig umgesetzt wie ein Theaterneubau.

Die Bürger feierten Napoleons Besuch im Jahr 1811 enthusiastisch, und zu seinen Ehren wurde „abends die ganze Stadt erleuchtet“, hieß es im Westphälischen Moniteur, der Regierungszeitung. Der gestalterische Umgang mit Licht hat in Düsseldorf Tradition und reicht bis ins Mittelalter zurück. Schon 1585 wurde ein Licht- und Feuerwerkschauspiel auf dem Rhein inszeniert. Und Illuminationen sind bis heute präsent. Nun ist es die Stiftung DUS Illuminated, die vom Rheinturm spektakuläre Lichtzeichen in den Himmel schickt. Das erste Mal, dass der Turm so in den Mittelpunkt rückte, war zur 70-Jahr-Feier der Gründung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016, als der Rheinkomet erleuchtete.

Waren es früher noch Fürsten und Kaiser gewesen, die der Stadt Wahrzeichen hinterließen, übernehmen nun reiche Bürger mit vaterstädtischem Sinn diese vornehme Aufgabe. Ihre Kette reicht bis in unsere Tage, vom Ehrenbürger Fritz Henkel bis zum Ehrenbürger Udo van Meeteren.

Henkel sorgte 1911 mit Gleichgesinnten dafür, dass es nicht zu einem Verkauf des Benrather Schlossparks an irgendeinen Investor kam, der das Areal vielleicht für den Siedlungsbau zerstückelt hätte. Der Kreis erwarb von den Preußen Schloss und Park für die Gemeinde Benrath, die zehn Jahre später eingemeindet wurde. Von diesem Geschenk profitieren die Bürger an jedem Tag. Udo van Meeteren ist ein Wohltäter unserer Zeit, der sehr vieles für die Stadt getan hat. Als herausragend sieht Benedikt Mauer das Haus der Universität am Schadowplatz an. Die Präsenz der Universität in der Stadt war seit Jahren gewünscht und es sei eine besondere Tat, dies ermöglicht zu haben. Nicht minder wichtig ist das durch die Familie Schwarz-Schütte gestiftete Oeconomicum auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität.

Als glückliche Fügung hat sich erwiesen, dass Düsseldorf Regierungssitz war und ist. Dies schon zur Preußenzeit. Denn gäbe es keinen Landtag am Rhein, gäbe es auch keine Rheinuferpromenade. Dass über Jahrzehnte mehr als 50 000 Autos an der Rheinfront entlangfuhren, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Aber die Tieflegung der Rheinuferstraße kam zwischen 1989 und 1993 tatsächlich nur zustande, weil es eine Hochstraße vor dem neuen Landtag gab, die eine Distanz zur Bürgerschaft bedeutete – und verschwinden sollte. Das Land offerierte der Stadt eines der schönsten Geschenke überhaupt: einen viel längeren Tunnel an der Altstadt vorbei in Richtung Norden. Die Stadt griff zu.