Düsseldorf Vortrags-Karaoke für Ahnungslose
Bei „Power-Point-Karaoke“ müssen die Teilnehmer spontan über völlig unbekannte Themen fachsimpeln.
Düsseldorf. Vorträge vor Publikum zu halten, ist eigentlich Routine für Christoph Ziegler, der mit seiner Firma Unternehmen beim Thema Social-Media berät. Vor seinem Vortrag beim Power-Point-Karaoke ist er trotzdem mächtig nervös. Denn über was er acht Minuten fachsimpeln soll, entscheidet der Zufall. „Ich bin sonst ein kontrollierter Mensch und immer gut vorbereitet“, sagt der Haaner. Beim Power-Point-Karaoke nützt das aber rein gar nichts.
Auf Folie eins krabbelt gleich ein niedlicher Regenwurm über die Leinwand - und die Zuhörer kriegen sich vor Lachen nicht mehr ein. Es folgt ein munterer Crash-Kurs in Regenwurmkunde, bei dem man unter anderem erfährt, dass aus dessen Kot besonders fruchtbare Erde entsteht. Auch optisch ist die Präsentation ein ganz spezieller Genuss: Knallgelbe Buchstaben in feinstem Comic-Sans auf quietschblauem Hintergrund. Doch Christoph Ziegler macht seine Sache gut und witzig.
Gesa hofft bei ihrem Vortrag vergeblich auf verspielte Animationen. Sie bekommt das sperrige Thema Graphentheorie aufs Auge gedrückt. Doch die Kurzzeit-Mathematikerin unterhält die genauso ahnungslosen Zuhörer mit erhellenden Feststellungen wie „Ecken sind wie Städte“ bestens. Am Schluss wird das „Königsberger Brückenproblem“ ausführlich erläutert. Christoph Ziegler muss grinsen. „Das hätte ich gut erklären können. Ich habe mal Raumplanung studiert.“
Es folgt eine Abhandlung über Karnevalsbräuche in Deutschland, die Christian Richter dem Publikum näher bringen darf. Dabei kommt ihm spontan die Idee, ein paar Traditionen über Bord zu werfen. „Den Umzug starten wir jetzt immer schon sonntags.“ Ein Hingucker ist auch das verwackelt wie unscharfe Bild, auf dem jeckes Treiben nur schwer zu erkennen ist. „Das stammt aus 2010. Als alle noch Fotomachen geübt haben mit dem Smartphone.“
Neben den unbekannten Folien gibt es weitere Herausforderungen. Zum Beispiel die Reaktionen und Zwischenfragen aus dem Publikum. „Doch die Atmosphäre ist sehr angenehm. Das nimmt einem schnell die Aufregung“, sagt Christoph Ziegler. Er ist auf den Geschmack gekommen. „Beim nächsten Mal trage ich wieder vor.“
Seit vergangenen Herbst finden die ungewöhnliche Vortragsreihe regelmäßig in der Oberbilker Bürogemeinschaft Gewächshaus statt. Journalistin Barbara Stromberg hat die Idee bei einem Workshop aufgeschnappt. „Anfangs war ich skeptisch, ob sich überhaupt jemand freiwillig traut. Doch es hat gleich funktioniert.“ Die Düsseldorferin sucht auch die Präsentationen zusammen. „Momentan sind es 53. Die meisten stammen aus den 90ern, als die meisten noch völlig ahnungslos am PC saßen und sich ausgetobt haben.“ Der animierte Regenwurm lässt grüßen.