„Wir wollen die schwarz-gelbe Mehrheit in der Stadt brechen“
Norbert Czerwinski, der neue Fraktionssprecher der Grünen, über blinde Flecken der Stadt, Nein-Sager und Machtoptionen.
Herr Czerwinski, Sie hatten für die Grünen doch ohnehin bei wichtigen Themen das Sagen, was hat sie am Posten Fraktionssprecher da noch gereizt?
Czerwinski: Ich wollte eine neue Herausforderung, einen Schritt nach vorne machen. Bis dato war ich vor allem für Verkehrspolitik zuständig, jetzt freue ich mich darauf, generell Führungsverantwortung zu übernehmen.
Wie finden Sie denn Ihre Fraktion?
Czerwinski: Sehr gut. Es ist eine sehr geschlossene Fraktion, in der aber immer noch munter diskutiert wird. Mit der Geschlossenheit, das war nicht immer so. Und dann besteht unsere Fraktion ja nicht nur aus den Ratsmitgliedern, sondern auch aus Bezirksvertretern sowie sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern — da kommt richtig viel Kompetenz zusammen.
Gleichwohl sind die Grünen in der Opposition, und das auch noch in einer der florierendsten deutschen Städte. Ist das nicht frustrierend?
Czerwinski: Ja, in mancher Hinsicht ist das schon bitter. Wenn ich daran denke, dass noch Rot-Grün die Grundlagen für die Schuldenfreiheit gelegt hat, durch echtes Sparen übrigens. Und dass dies dann seit 1999 Schwarz-Gelb mit Erwin und Elbers erntet. Andererseits wirke ich natürlich gerne in einer vergleichsweise so starken Stadt, mit den Kollegen in Remscheid oder Gelsenkirchen will ich nicht tauschen.
Doch wo ist nun mal eine echte Angriffsfläche für Opposition?
Czerwinski: Also, alles in Butter ist in Düsseldorf weiß Gott nicht. Es gibt einige blinde Flecken bei CDU, FDP und Stadtspitze. Zum Beispiel einen kreativen Stillstand, zu wenig Entfaltungsraum für eine kreative Szene. Dieses gelackte Image der Stadt besteht ja nicht ganz zu Unrecht.
Ein paar handfestere Mängel sehen Sie nicht?
Czerwinski: Doch. Ich mach’ mir durchaus Sorgen um die Finanzen der Stadt. Denn die Schuldenfreiheit ist angesichts solch exorbitant teurer Bauprojekte wie den Kö-Bogen mit Teil I und II nicht gesichert. Beim Verkehr ist Düsseldorf viel zu autofixiert. Das sehen sogar viele CDU-Politiker in anderen Städten so. Außerdem spielt die regionale Zusammenarbeit für Elbers keine Rolle, dabei kann man manche Probleme nur mit den Nachbarn lösen.
Welche denn zum Beispiel?
Czerwinski: Bleiben wir mal beim Verkehr. Die Zahl der Einpendler ist schon riesig und wird weiter wachsen. Als Düsseldorfer können wir aber nicht wollen, dass die weiterhin mit dem Auto kommen. Also muss man unter anderem mehr Park & Ride-Plätze rings um Düsseldorf herum anlegen. Bloß: Die Nachbarn wollen diese Parkplätze an der Peripherie nicht. Somit muss da vernünftig verhandelt werden.
Sprechen wir mal über Ihr strategischen Optionen. Die Grünen haben bombige Wahlergebnisse, aber nichts zu melden. In Düsseldorf ist die SPD seit Jahren schwach und die CDU ideologisch noch viel zu weit weg von Ihren Mitgliedern.
Czerwinski: 2014 wollen wir die schwarz-gelbe Mehrheit brechen. Und so düster sieht’s da wirklich nicht aus. Die CDU bewegt sich, sie besteht ja nicht nur aus Herrn Conzen, sondern auch aus jüngeren Sozialpolitikern, die gar nicht so weit weg von uns sind. Das Thema Sonntagsöffnung zum Beispiel ist noch vor ein paar Jahren in der CDU nicht einmal diskutiert worden, jetzt gibt’s da sehr kritische Stimmen.
Und was ist mit der SPD?
Czerwinski: Zu der haben wir hier eindeutig die größte Nähe, inhaltlich und persönlich. Und wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir jetzt eine rot-grüne Landesregierung haben?
Sie wollen vor allem die Bürgerbeteiligung ausbauen. Sehen Sie da nicht die Gefahr, dass alte „Wutbürger“ einfach alles Neue verhindern und die Stadt erstarrt?
Czerwinski: Nein, mehr Partizipation heißt ja nicht, dass wir nun jede Woche die Leute abstimmen lassen. Mir ist wichtig, die Betroffenen vor Ort viel stärker, vor allem früher einzubinden. Die Beteiligung dieser Leute macht ein Projekt besser, nicht langwieriger. Nehmen Sie den Behindertenbeirat: Das war am Anfang eine zähe Angelegenheit, heute ist das Bewusstsein für Behinderte etwa im Straßenverkehr gewachsen.
Dennoch: Auch Sie fallen im Rat häufiger als Nein-Sager auf.
Czerwinski: Das stimmt nicht. Dass eine Opposition zu falscher Politik Nein sagt, ist doch wohl normal. Aber wir arbeiten konstruktiv mit, die große Mehrheit unserer Anträge will etwas Positives, Neues, nicht verhindern. Auch in meinem Politikverständnis steht das Gestalten vorne. Ich bin 1998 bei den Grünen eingetreten, weil ich die damalige Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark pro Liter völlig daneben fand. Man kann die Leute doch nicht vom Auto wegschikanieren.