Altargemälde von St. Jakobus Neukirchen Ein geheimnisvolles Weihnachtsbild

Neukirchen · Im Neukirchener Gotteshaus hängt ein Gemälde, das die heilige Familie zeigt. Noch deutlicher als Maria, Josef und das Jesuskind ist allerdings ein geheimnisvoller Mann mit Pilgerstab auf der Leinwand auszumachen. Pfarrer Meik Schirpenbach hat einen Verdacht, wer das sein könnte.

Pfarrer Meik Schirpenbach vor dem großen Altarbild der Jakobuskirche in Neukirchen.

Foto: Wiljo Piel/wilp

Es ist ein besonderes Bild, das hoch hinter dem barocken Altarschmuck in der Jakobuskirche aufragt. Es zeigt die heilige Familie bei einer Rast auf der Flucht nach Ägypten – ein bekanntes Motiv, das in die Weihnachtszeit passt. Doch der Rest des großen Gemäldes ist „völlig rätselhaft und eigenartig“, sagt Pfarrer Meik Schirpenbach. Der Historiker glaubt jedoch, ein Geheimnis entschlüsselt zu haben, das ein unbekannter Meister in seinem Werk für das Neukirchener Gotteshaus hinterlassen hat.

Auch wenn es das zentrale Motiv ist, spielt es sich doch mehr im Hintergrund des Gemäldes ab: Maria und Josef halten liebevoll das Jesuskind an den Händen, das augenscheinlich – kaum hat es die Krippe verlassen – seine ersten Gehversuche unternimmt. Deutlicher in den Vordergrund hat der Maler aber zwei Männer gerückt, die eines gemeinsam haben: Sie sind mit Pilgerstäben ausgerüstet und blicken in Richtung des Betrachters.

Der Pilger unten rechts ist deutlich detallierter gemalt als alle anderen Protagonisten des Gemäldes.

Foto: Wiljo Piel/wilp

Meik Schirpenbach geht davon aus, dass es die beiden Schutzheiligen der Pfarre sind, die der Künstler einst abgebildet hat: links den Apostel Jakobus, rechts den heiligen Wendelinus, der im sechsten Jahrhundert im Bistum Trier missionierend unterwegs gewesen sein soll. Gerade Letzterer ist es, der die besondere Aufmerksamkeit des Pastors geweckt hat. Denn Wendelinus unterscheidet sich deutlich von den übrigen Darstellungen auf dem mehr als vier Meter hohen Bild. „Er ist sichtbar detaillierter gemalt worden als alle anderen. Und sein Gesicht ist das einzige auf dem Gemälde, das porträtartige Züge hat“, schildert Schirpenbach. „Das ist sehr eigenartig.“ Schon als er das Bild zum ersten Mal in der Jakobuskirche gesehen hat, sei ihm das aufgefallen – und irgendwie sei ihm der Wendelinus auf Anhieb auch bekannt vorgekommen. „Den hatte ich schon mal gesehen“, berichtet der Pfarrer.

Meik Schirpenbach startete eine Bildersuche im Internet und wurde denn auch in seiner Annahme bestätigt: Der Wendelinus von Neukirchen gleicht verblüffend einem Mann, der schon zu seinen Lebzeiten als heiliger Mann galt: Benoit Labre (1748 bis 1783). Der in Nordfrankreich geborene Mystiker pilgerte im 18. Jahrhundert durch Europa, um wichtige Stätten der Christenheit zu besuchen und erlangte als „Vagabund Gottes“ zu damaligen Zeiten eine außerordentliche Popularität unter den Gläubigen. Dementsprechend oft wurde er porträtiert. Aber wie kommt er auf das Neukirchener Bild – und wer hat ihn einst porträtiert?

Meik Schirpenbach hat eine Vermutung: „Im Jahr 1776 hielt sich Benoit Labre in Koblenz auf, das ist überliefert. In dieser Zeit muss er also das Rheinland durchwandert haben“, sagt der Pfarrer. Da sich der Hof des Trierer Kurfürsten damals in Koblenz befand und als ein Zentrum der Malerei galt, könnte das Neukirchener Bild durchaus von dort stammen – möglicherweise sogar aus der Werkstatt des bekannten Hofmalers Januarius Zick, überlegt der Historiker.

„Vielleicht ist der unbekannte Maler dem ,Vagabund Gottes‘ persönlich begegnet – und war so beeindruckt von ihm, dass er dem Neukirchener Wendelinus das Gesicht von Benoit Labre gegeben hat“, sagt Meik Schirpenbach. Hinweise auf den Maler gibt die große Leinwand nicht, sie ist weder signiert noch wurde sie mit einem Datum versehen.

Mystisch wie das große Altarbild ist übrigens das Neukirchener Gotteshaus selbst. Die Kirche, deren Ursprünge im zwölften Jahrhundert liegen, vereint Romanik und Barock in beeindruckender Weise. „In ihrem Stil ist sie einzigartig“, sagt Meik Schirpenbach. Und sie ist ganz sicher nicht nur zur Weihnachtszeit einen Besuch wert.