Gastspiel im Theaterfoyer: Eine Heimkehr, die nie stattfindet
Hüseyin Michael Cirpici entführt die Zuschauer in ein kleines anatolisches Dorf.
Krefeld. Wände und Boden sind mit Teppichen bedeckt, schlichte Holzbänke umrahmen ein Feld aus intensiv riechender Erde. So hat man das Seitenfoyer des Theaters noch nie gesehen. Ein spannendes Projekt war dort als einmaliges Gastspiel zu erleben.
"Das Dorf" erzählt eine faszinierende Familiengeschichte aus Anatolien über einen Zeitraum von 100 Jahren. Der aus Krefeld stammende Schauspieler und Regisseur Hüseyin Michael Cirpici hat eine packende Mischung aus Dokumentation und szenischer Darstellung erdacht. Im Taurusgebirge gelegen ist Agcasar Dreh- und Angelpunkt einer bewegten Familiengeschichte.
Fünf Brüder, der verfolgten Minderheit der alevitischen Kurden angehörig, gründeten das Dorf 1904 als Fluchtpunkt. Bis heute leben dort nur Mitglieder der Sippe. Sie haben inzwischen in europäischen Metropolen ein Zuhause gefunden, doch das Dorf hat noch große Bedeutung für sie.
Einer von ihnen ist Ercan Arslan, Künstler aus Berlin. Im Stück fungiert er als einziger Darsteller, wobei er gleich zu Beginn betont: "Ich bin kein Schauspieler." Stattdessen übernimmt er die Rolle eines Erzählers, der die Sequenzen zwischen Videoeinspielungen moderiert. Darin kommen seine Familienmitglieder zu Wort und erzählen offen über Erfahrungen in der Fremde, Sehnsüchte und Erinnerungen an die Heimat.
Man erfährt von Arslans Vater, der Arbeit nach Deutschland gekommen. Während er nie richtig Deutsch gelernt hat, haben seine Kinder die sprachlichen Probleme als Makel empfunden. Mit sturem Auswendiglernen versuchten sie, in der Schule zurecht zu kommen. Berührend ist auch die Geschichte der Tochter, in deren Zimmer die Eltern jahrelang Koffer aufstapeln. Sie stehen für eine Rückkehr in die Heimat bereit, die jedoch nie stattfindet.
Die gelungene Mischung aus Dokumentation und privater Familiengeschichte zieht den Zuschauer eindrucksvoll mitten in die komplexe Thematik hinein. Die Art der Performance, der Raum und die Musik erzeugen bereits viel Nähe. Das live geführte Telefonat Arslans mit seinem im Dorf lebenden Cousin vermittelt zusätzliche Authentizität.