Vom Mädchen zur reifen Frau

Als „Manon“ in der gleichnamigen Oper wird Sophie Witte gefeiert. Sie genießt die Traumrolle — trotz Herzklopfens.

Vom Mädchen zur reifen Frau
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Vom schüchternen jungen Mädchen über die begehrenswerte Frau bis zur Sterbenden, die alles verloren hat. Die „Manon“ in Jules Massenets gleichnamiger Oper ist eine gesanglich und darstellerisch anspruchsvolle Rolle. Die junge Sopranistin Sophie Witte erfüllt beide Anforderungen souverän und wird von Publikum und Presse gefeiert.

„Es ist das erste Mal, dass ich so eine große Partie singe“, sagt die zierliche blonde Sängerin. So gibt sie auch zu, bei jeder Vorstellung mit Herzklopfen die Bühne zu betreten. Wenn dann ihre erste Arie gut gelaufen ist, gibt ihr dies Sicherheit für den Rest des fast dreistündigen Abends. Noch größer als die Nervosität ist jedoch die Freude, diese Traumrolle singen zu können. „Ich kann dabei all meine Stärken zeigen“, sagt Witte.

Schon die Probenarbeit hat sie sehr genossen und findet es gut, dass Regisseur Francois De Carpentries das Stück im 18. Jahrhundert belassen hat. „Es ist schön, mit den Kostümen in eine andere Welt schlüpfen zu können“, schwärmt sie.

Als disziplinierte Künstlerin weiß sie auch, wie wichtig eine gute Vorbereitung auf die Vorstellung ist. „Man sollte ausgeruht und konzentriert sein, die Stimme testen, aber nicht überstrapazieren“, lautet ihr Rezept. Dabei erweckt sie den Eindruck, dass ihr all das nicht schwer fällt.

Dabei wollte die gebürtige Berlinerin zuerst nicht Sängerin werden, sondern Pianistin. Ihre musikalischen Eltern schickten sie parallel zum Klavierunterricht auch in einen Kinderchor. „Aus Langeweile habe ich oft gestört und musste dann extra vorsingen“, erinnert sie sich. Doch auf diese Weise wurde der Lehrer auf ihre Stimme aufmerksam. Auf sein Drängen wechselte sie in einen Kammerchor, wo viel gefühlvolle osteuropäische Musik gesungen wurde. „Da habe ich Feuer gefangen und den Gesang für mich entdeckt“.

Witte begann Musikwissenschaften zu studieren, was ihr aber doch zu theoretisch war, so dass eine Gesangsausbildung als logische Konsequenz folgte. Direkt von der Hochschule weg führte sie ein Gastspiel nach Flensburg, wo sie den Zweiten Knaben in der „Zauberflöte“ sang. Zu ihrer großen Überraschung wurde daraus ein festes Engagement. Drei Jahre blieb sie im Norden und sammelte als Anfängerin jede Menge Bühnenerfahrung, auch in Operetten. Witte schätzt jedoch mehr die tiefgründigen Charaktere wie jetzt Manon.

Seit Herbst 2012 ist sie am hiesigen Theater und hat bereits so unterschiedliche Rollen wie Adele („Die Fledermaus“) oder Susanna („Die Hochzeit des Figaro“) verkörpert. „Mozart zu singen, ist pures Musizieren“ schwärmt sie. Als Sängerin kommt die Musik für sie immer zuerst. „Die Musik soll eine Aussage treffen, die Darstellung entwickelt sich daraus“, beschreibt sie ihre Vorgehensweise.

Auch wenn sie die Menschen hier am Anfang etwas direkt fand, ist Witte inzwischen heimisch geworden. Wenn sie nicht gerade eine neue Partie studiert, entspannt sich die junge Sängerin bei der Gartenarbeit. Viel Zeit bleibt dazu nicht und auch vom Gespräch mit der WZ eilt sie mit dem Klavierauszug unterm Arm zur nächsten Probe. In „Don Giovanni“ singt sie Zerline — die Premiere ist am Samstag.