Pflege: „Eine Barriere in den Köpfen“
Nihal Kacannlar ist Pflegedienstleiterin im Seniorenheim. Bei ihren Landsleuten will die gebürtige Türkin Aufklärungsarbeit leisten.
Krefeld. Eigentlich wollte Nihal Kacannlar beruflich zu Nadel und Faden greifen. Die gebürtige Türkin, die im Alter von elf Jahren nach Krefeld kam, hat ursprünglich eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert. „Ich habe das Handwerk gerne gelernt, aber der Beruf war reine Akkordarbeit“, winkt Nihal Kacannlar ab. Heute ist die 43-Jährige Pflegedienstleiterin im Seniorenheim in Linn und sich nicht zu schade, selbst mal schnell einen Knopf an die Bluse einer Heimbewohnerin zu nähen. „Das gehört zum speziellen Service“, sagt sie und erzählt, dass sogar ihre ehemalige Lehrmeisterin im Seniorenheim Linn wohnt.
Nach Heirat und Geburt ihrer ersten Tochter suchte Nihal Kacannlar zuerst vergeblich einen Ausbildungsplatz in der Krankenpflege. „Überall stieß ich auf Vorurteile gegen junge Mütter“, sagt sie. „Dabei hatte ich damals nur ein Kind.“ Heute ist sie stolze Mutter von zwei Töchtern und einem Sohn. Ihre Ausbildung zur Altenpflegerin sowie die Weiterbildung im Management schaffte sie dank der Hilfe ihrer Eltern und einer Ganztags-Kita. Im Seniorenheim Westparkstraße arbeitete Nihal Kacannlar zunächst als Pflegeassistentin, ab 2006 als Fachkraft.
„Als im August 2009 das neue Haus in Linn eröffnet wurde, überredete mich eine Kollegin zum Wechsel“, erzählt sie. Der Neuanfang war aufregend. Linn ist ein völlig neues Einzugsgebiet und das Haus dementsprechend schnell ausgebucht. „Täglich hatten wir bis zu vier Neuaufnahmen“. Seit Februar 2013 ist Nihal Kacannlar eine von drei Pflegedienstleiterinnen. Heute haben 90 alte Menschen in dem Seniorenheim ihr Zuhause. 30 von ihnen sind an Demenz erkrankt.
Nihal Kacannlar, Pflegedienstleiterin
Sie leben in Linn so unabhängig wie möglich, ziehen im Garten ihr eigenes Gemüse und kochen mittags gemeinsam. Nationalitäten spielen im Seniorenheim keine Rolle. In Linn wohnen und arbeiten Griechen, Polen, Russen und Türken. Einrichtungsleiter John Kakkattil hat selbst indische Wurzeln. „Wir sind ein multiprofessionelles und multikulturelles Team“, betont Nihal Kacannlar. Künftig möchte sie vermehrt ihre Landsleute ansprechen und Aufklärungsarbeit leisten.
„Die erste Generation Türken, die nach Krefeld gekommen ist, ist alt geworden. Sie braucht jetzt Pflege und Unterstützung.“ Doch in den Köpfen sei eine Barriere. „Türken geben ihre Eltern nicht ins Heim und holen sich auch keine ambulante Hilfe.“ Nur ein muslimischer Bewohner wohnt zurzeit im Seniorenheim Linn. Seine Religion und seine Kultur kann er ganz wie zu Hause ausleben. Ehrenamtler fahren den 80-Jährigen zum Freitagsgebet in die Moschee nach Uerdingen. „Seine Angehörigen sind glücklich, dass sie diesen Schritt gewagt haben.“