Kiffende Kinder — ratlose Eltern
Norman Raulf von der Neander Diakonie über den Konsum von Cannabis und welche Folgen das für junge Leute haben kann.
Wie viele Jugendliche nehmen Cannabis?
Norman Raulf: Jeder siebte Heranwachsende zwischen zwölf und 19 Jahren hat mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. Cannabis ist die beliebteste illegale Droge.
Cannabis gilt als weiche Droge. Was ist daran gefährlich?
Raulf: Das Rauchen von Cannabis kann zu noch stärkeren Organschäden führen als das Zigarettenrauchen. Cannabiskonsumenten inhalieren den Rauch tiefer. Häufig wird Cannabis zusätzlich zum normalen Tabakkonsum geraucht. Der regelmäßige und dauerhafte Konsum wirkt sich besonders in der Pubertät negativ auf die Gehirnreifung und die Hirnleistung aus, beeinträchtigt das Kurzzeitgedächtnis und die Motivation. Das Risiko, eine Psychose oder Depression zu entwickeln, ist deutlich erhöht.
Wer kifft, kann schnell Ärger mit der Polizei bekommen. Stimmt das?
Raulf: Der Besitz, Handel und Anbau von Cannabis ist strafbar, auch von geringen Mengen. Ebenso die unentgeltliche Weitergabe an Freunde. Einzig der Konsum von Cannabis ist nicht strafbar. Aber Achtung: Cannabis enthält Bestandteile, die bis zu acht Wochen im Blut und Urin nachgewiesen werden können. Schon kleine Mengen benötigen mehrere Tage, bis sie nicht mehr nachweisbar sind.
Warum ist das wichtig?
Rault: Dies wird relevant, wenn es zum Beispiel ums Auto fahren geht. Wer bekifft fährt, riskiert ein Bußgeld, Strafpunkte in Flensburg, ein Fahrverbot und vielleicht sogar den Führerschein. Ist der erst einmal weg, wird er nur nach einer Medizinisch Psychologischen Untersuchung (MPU) neu erteilt. Wer die Untersuchung bestehen will, muss eine lange Abstinenz nachweisen.
Wo spielt Drogenscreening noch eine Rolle?
Raulf: Auch Jugendliche ohne Führerschein bekommen bei einer Anzeige wegen Cannabis eine Meldung an die Straßenverkehrsbehörde. Wenn später der Führerschein gemacht wird, kann es dann zu einer Anordnung eines Drogenscreenings kommen, bevor die Prüfung gemacht werden darf. Auch im Rahmen von Bewerbungsverfahren ist ein zustimmungspflichtiges Drogenscreening durchaus üblich.
Können Eltern erkennen, ob ihre Kinder kiffen?
Raulf: Die Anzeichen sind nicht eindeutig. Eltern haben den Vorteil, dass sie ihre Kinder kennen und Veränderungen wahrnehmen. Diese können sein: verringerte Konzentration, auffallende Gesprächigkeit oder Schweigsamkeit, gerötete Augen, eigenartiger süßlicher Geruch, Leistungsabfall in der Schule und Interessenverlust an Sport oder Hobby. Auch Verpackungsreste und Konsumutensilien (Brettchen, Filter, Pfeifchen) können ein Hinweis sein.
Wie sollten Eltern reagieren?
Raulf: Das Wichtigste ist, dass Eltern die Veränderungen, welche sie wahrnehmen, mit den Kindern thematisieren. Wegsehen vermittelt den Kindern das Signal, dass die Eltern entweder nichts merken oder den Gebrauch von Cannabis akzeptieren. Eltern müssen sich also spätestens beim ersten Verdacht für die Substanz Cannabis interessieren und sich darüber informieren.
Ihr Ratschlag ist also: Erst einmal Ruhe bewahren?
Raulf: Es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen, deshalb sollten Eltern für ein offenes Gesprächsklima sorgen. Die üblichen Konsummuster reichen von einmaligem Probieren über den gelegentlichen Konsum bis hin zu regelmäßigem Konsum. Problematisches Verhalten entsteht nicht von jetzt auf gleich. Um ins Gespräch zu kommen, kann es hilfreich sein, wenn Eltern zunächst über ihre eigenen Erfahrungen mit Cannabis und ihren Umgang mit anderen Suchtmitteln (Alkohol, Nikotin) erzählen. Den Sohn oder die Tochter können Eltern dann einladen, zur eigenen Entscheidung Position zu beziehen. Eltern sollten Vorwürfe vermeiden, lassen sie dem Kind seine Eigenverantwortung. Wer zukünftig das Jugendzimmer nach Cannabis durchsucht und Drogentests durchführt, riskiert einen großen Vertrauensbruch. Deshalb raten wir davon ab.
Welche Hilfen kann die Suchthilfe BIZ anbieten?
Raulf: Wir sind die Suchtberatungsstelle für die Städte Erkrath, Hochdahl und Haan. Im Suchthilfe BIZ erhalten Eltern Informationen zu Suchtmitteln und Tipps für die Gespräche mit ihren Kindern. Dabei geht es darum, das Elternwissen anzureichern und Handlungsoptionen zu erweitern. Wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam kommen, ermöglichen wir, dass Eltern ihre Sorgen benennen und Jugendliche ihre Motivation, Cannabis auszuprobieren.
Können Jugendliche auch allein zu Ihnen kommen?
Raulf: Ja, sie haben die Möglichkeit, sich über die rechtliche Situation zu informieren und über Wirkungen und Nebenwirkungen von Cannabis. Als Suchtberatung interessiert uns dann natürlich, in welchen Situationen sich Jugendliche für oder gegen die Droge entscheiden. Wir unterstützen, wenn Jugendliche ihr Konsumverhalten ändern möchten und helfen, schlechte Gewohnheiten durch neue zu ersetzen. Letztlich bieten wir auch Hilfen an, sollten sich bereits Abhängigkeiten entwickelt haben. Dann vermitteln wir in weiterführende Angebote. In unserem FreD-Kurs (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) geht es darum, den Jugendlichen Sachinformationen zu Cannabis zu vermitteln und Lebensperspektiven zu besprechen.