Konzertabend in Haan Mit einem Ohr im Jenseits
Haan · Die zweite Auflage der „Klassik Fusion Lounge“ wartete im Gymnasium Haan mit einem Ritt durch die Genres auf.
Ein Glas Wein, edle Beleuchtung und dazu Mozart – das verbindet man nicht unbedingt mit dem alltäglichen Treiben im Pausenfoyer einer Schule. Aber es gehört eben auch zu den Charakteristika der „Klassik Fusion Lounge“, eine Melange aus Klassik und anderen Stilrichtungen an eher ungewöhnlichen Orten zu präsentieren: Ihren Anfang hatte die Reihe im März 2024 beim Autoforum NRW genommen. Am Freitag wurde nun die bestuhlte Lobby des Städtischen Gymnasiums Haan zum Schauplatz der Veranstaltung des Vereins FormatArt und der Stadt Haan.
Die örtlichen Gegebenheiten bezogen Pianistin Lisa Eisner-Smirnova als Initiatorin des Projekts und die anderen beteiligten Künstler mit ein: Die beiden auseinanderstrebenden Treppen etwa dienten nicht nur als Auf- und Abgänge für die Akteure, sondern auch als Ausgangspunkt auf dem Weg einer verwackelten Handkamera durch den Raum, deren Bilder als Projektion auf der weißen Wand erschienen. Im Zentrum des Geschehens: der Flügel, an dem Eisner-Smirnova virtuos zum Kern des Programms vordrang: „The Messenger“ – also zu deutsch: „Der Bote“ – lautete der Titel des Konzerts – und die gleichnamige Komposition des Ukrainers Valentin Silvestrov, entstanden im Jahr 1996 nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau, stand nicht nur am Beginn des Abends. Vielmehr wurden die sanften, elegischen Klänge zum wiederkehrenden Element der Darbietung.
Einen „Dialog zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, der Realität und dem Traum, der Wirklichkeit und der Fantasie“ hatte der Programm-Flyer angekündigt – und das Publikum somit darauf vorbereitet, dass es sich nicht unbedingt auf allzu leicht verdauliche Abendunterhaltung einzustellen hatte. Stimmen aus den Lautsprechern konfrontierten die Zuhörer mit Lebensfragen wie „Gibt es ein Wiedersehen nach dem Tod?“, warfen Fragmente des apostolischen Glaubensbekenntnisses in den Raum und trugen bedächtig den Text zu Sergej Rachmaninovs Romanze „Hier ist es schön“ vor. Mal waren die Aussagen mit mysteriösem Hall unterlegt, als drängen sie aus den tiefsten Abgründen der Unterwelt zu den Besuchern herauf, dann wirkten sie wieder so klar und trocken, als spräche der unmittelbare Sitznachbar den Zuhörer an.
Es war, passend zum Thema, ein Abend der Kontraste: Für ein sperriges Werk wie „Le Rire Physiologique“ von Georges Aperghis mit seinen schrillen Tönen, skurrilen Lauten und gesprochenen Textfetzen war ebenso Platz wie für Wolfgang Amadeus Mozarts lebenslustige Variationen C-Dur über das Lied „Ah, vous dirae-je, maman“, das der deutsche Zuhörer als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ kennt. Und ein bisschen Bescherung gab es dabei auch noch: Die Künstler verteilten Bonbons im Publikum, die sie zuvor bei einem gespielten Picknick auf einer Decke aufgeteilt hatten.
Kongeniale Unterstützung erhielt Eisner-Smirnova beim Programm von Saxofonist Tumen Dondukov, Sounddesignerin und Videokünstlerin Lena Ruzicka und Sopranistin Stefanie Fischer. Den fulminanten und eingängigen gemeinsamen Schlusspunkt bildete der schwelgerische Jazz-Klassiker „The more I See You“, der den Zuhörer in die Stimmung einer verrauchten Bar zu nächtlicher Stunde versetzte, in der sich nur noch ein Paar langsam tanzend über das Parkett schiebt.
Die Zuhörer waren gebeten worden, angesichts der dichten Dramaturgie auf Zwischenapplaus zu verzichten. Den holten sie nach dem Ende der gut 75 Minuten nach.