Hilden: „Es gibt immer Konflikte“

Eine aus Norwegen stammende Strategie nimmt Schüler, Eltern und Lehrer bei Gewalt an der Schule in die Pflicht.

Hilden. Vorbeugung ist alles. Aber was passiert, wenn alle Präventionsprojekte versagen? Wenn es doch zu Gewalt in der Schule kommt? Wenn doch in der Pause die Fetzen fliegen? "Jeder Kollege bewertet eine Situation unterschiedlich", weiß Heike Keding, Leiterin der Wilhelm-Hüls-Grundschule. Während einer die Situation als harmlos einstuft, ruft ein anderer ein Elterngespräch ein. "Daher ist es sinnvoll, dass wir uns nicht nur mit Prävention, sondern auch mit Intervention auseinandersetzen", so Keding.

Genau dies geschieht bei der Antibullying-Strategie, an der die Wilhelm-Hüls-Schule als erste Grundschule im Kreis Mettmann teilnimmt. Das ist ein Programm, das in den 80er-Jahren in Norwegen eingeführt wurde - und seit rund zehn Jahren auch in NRW erfolgreich eingesetzt wird. Es funktioniert vor allem opfer-orientiert:

Das Opfer entscheidet, was passieren soll. Will der Betroffene, dass dem Konflikt nachgegangen wird, müssen Täter wie Opfer den Vorfall schriftlich festhalten. "Das passiert sofort, ad-hoc, und durch die Schriftlichkeit sind die Stellungnahmen für die Kinder viel verbindlicher", so Kriminalhauptkommissarin Susanne Wiescher, Leiterin des Kommissariats Vorbeugung.

Anschließend werden die Berichte an die Eltern weitergeleitet, die ebenfalls aufgefordert werden, sich zum Sachverhalt zu äußern. "Gerade Eltern negieren solche Vorfälle auch gerne, denn ihr Kind macht so etwas ja nicht’", so Landrat Thomas Hendele, der die Strategie gestern vorstellte.

Wenn alle Parteien die Sichtweise des anderen kennen, gibt es ein Gespräch, in dem eine Vereinbarung getroffen wird. Die wird schriftlich festgehalten. Ziel sei es aber nicht, die Kinder mit Verboten wie "Du darfst nicht schubsen" zurechtzuweisen. Durch die Auseinandersetzung mit der Situation sollen die Kinder lernen, sich an Vereinbarungen zu halten. Zum Beispiel kann das Täterkind sagen, es möchte andere nicht schubsen.

Für Keding und ihre Kollegen ist das Projekt die perfekte Ergänzung zu Präventionsprogrammen wie "Faustlos". "Es gibt einfach immer Konflikte an Schulen", weiß Keding. Ziel sei es, zu lernen, wie man damit umgeht, und dass die Lehrer einheitlich reagieren. "Das ist ein Defizit in der Lehrerausbildung, dass dort keinerlei Konfliktinterventionen beigebracht werden," fügte Bürgermeister Günter Scheib an, der früher selbst als Lehrer tätig war.

"Wir haben sicherlich keine amerikanischen Verhältnisse an unseren Grundschulen", so Hendele, "aber es gibt eine Tendenz dazu, dass Gewalt an Schulen ein Thema ist." Die Polizei sei bei Lösungsmöglichkeiten natürlich mit im Boot, aber das Thema betreffe das ganze gesellschaftliche Umfeld der Kinder. Hendel: "Daher muss man früh anfangen, entsprechend zu wirken."