Jugendliche müssen liebevolle Sexualität erst lernen

Andreas Müller arbeitet als Sexualpädagoge bei Pro Familia. Er ist an etwa 40 Schulen im gesamten Kreisgebiet tätig.

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Mettmann. Als Andreas Müller 1991 seinen Job als Sexualpädagoge bei der Beratungsstelle Pro-Familia antrat, war das Internet noch nicht in Sicht. Smartphones, auf denen man mal rund um die Uhr Hardcore-Pornos anschauen konnte — undenkbar vor 25 Jahren.

Aus seiner täglichen Arbeit an den Schulen im Kreisgebiet weiß Müller, dass heute schon Siebt- und Achtklässer Pornofilme ansehen. Die Erreichbarkeit von Sex hat sich dramatisch verändert. „Aufklären“ im klassischen Sinn muss er schon lange nicht mehr. Die Schüler seien durch Pornos eher verunsichert und verstört und haben viele Fragen. Das Frauenbild, das in diesen Filmen vermittelt werde, habe nichts mit der Realität zu tun. Wie Kinder und Jugendliche in Zeiten der Sexualisierung und Pornografisierung der Gesellschaft noch liebevolle und verantwortungsvolle Sexualität erlernen können — dieser Herausforderung stellt sich Andreas Müller mit seinem Team täglich.

An etwa 40 Schulen im gesamten Kreisgebiet bietet Müller Unterstützung beim Sexualkundeunterricht an. In Doppelstunden erklären die Pädagogen Körperentwicklung, Veränderungen in der Pubertät, Verhütung, Erstes Mal oder auch Homosexualität. Wichtig ist Pro Familia, dass in diesen Stunden Jungen und Mädchen getrennt sind.

„Weil wir keine Eltern und keine Lehrer sind und unter Schweigepflicht stehen, öffnen sich die Jugendlichen uns gegenüber und können vorurteilsfrei über das Thema Sexualität sprechen“, sagt Müller. Die Jungen und Mädchen brauchen keine Sanktionen zu befürchten oder eine moralische Verurteilung. Wenn noch Fragen offen sind, können sich die Jugendlichen melden und sich persönlich in der Sprechstunde beraten lassen.

Immer im Aufklärungsunterricht dabei: Der Koffer mit Broschüren und einem Penis-Modell aus Holz. „Ich zeige den Schülern, wie man ein Kondom benutzt“, sagt Müller. Viele haben noch nie eins in der Hand gehabt, finden es ekelig, glitschig — „am Ende wollen dann doch alle Jungs ein paar Kondome haben“. Als er 1991 mit dem Unterricht in Schulen anfing, war das Thema AIDS sehr präsent, „Safer Sex“ ein Riesenthema. Nur durch Aufklärungsarbeit sei es gelungen, den Kondomgebrauch in der Gesellschaft fest zu verankern. Im Laufe der Jahre hat sich das Angebot der Beratungsstelle stark erweitert. Neben Anfragen von Kindergärten sind es heute auch Einrichtungen, die Behinderte betreuen. Auch dort bietet er Einzelberatungen an. „Natürlich haben Behinderte das Recht auf Nähe und Zärtlichkeit“, Er arbeitet mit Menschen, die nicht richtig sprechen können und versucht, ihre Wünsche zu erkennen. „Das klappt etwa mit Hilfe von Karten oder Zeichnungen“, sagt Müller.