Velbert-Neviges: Jugendarbeit - Eisenbiegen hinterm Ratssaal

Im alten Rathaus hat die Stadt einen Kraftraum eingerichtet. Hier können Jugendliche kostenlos trainieren. Doch die Geräte sind recht altersschwach.

<strong>Neviges. Konzentriert visiert Mardan die Hantelstange an, hebt sie aus der Halterung und lässt 25 Kilogramm Eisen langsam auf die Brust sinken. 20 Mal soll er den Stahl in die Höhe wuchten, das Ganze fünf Mal wiederholen - sagt Erich Dreke. Vor kurzem hat der Sozialarbeiter mit einigen Jungs vom Busbahnhof den Kraftraum im alten Rathaus in Betrieb genommen. Jetzt trainiert er mit ihnen zweimal pro Woche für je zwei Stunden.

"Es ist besser, die Jungs bauen hier ihre Aggressionen ab als auf der Straße." Erich Dreke, Sozialarbeiter

Vom chromglitzernden Fitness-Studio ist die Einrichtung weit entfernt. Die Sportgeräte hat die Stadt aus dem ehemaligen Jugendzentrum Wilhelmstraße ins Rathaus transportieren und aufbauen lassen. Man sieht ihnen das Alter an: Dem Butterfly etwa, einem Gerät zur Stärkung der Brustmuskulatur, fehlen die Schnüre, über die die Gewichte bewegt werden. Auch die Zughantel bedarf einer Überholung: "Die ist noch selbstgebaut", erläutert Dreke die Konstruktion aus Vierkantrohren. Drei Hantelbänke verteilen sich auf das ehemalige Besprechungszimmer hinter dem einstigen Ratssaal, eine weitere steht hinter halbmeterdicken Mauern im nun türlosen Tresorraum. Auf diesen Bänken wollen die 15 bis 17 Jahre alten Jungs endlich Eisen pumpen. Der Geist ist willig - doch schnell zeigt sich, dass 20 Hübe keineswegs mit links zu leisten sind. Dreke gibt Anweisungen, wie die Hantel richtig gestemmt wird. Mogeln gilt nicht, die Stange muss jedes Mal kurz auf der Brust aufsetzen.

Die Jungs kommen schnell an ihre körperlichen Grenzen

Schneller, viel schneller, als sie selber es erwartet haben, kommen die Jungs ans Ende ihrer Möglichkeiten: "Das geht ganz schön in die Arme", klagt einer. Dreke schmunzelt, legt sich selbst auf die Bank. Locker pumpt der durchtrainierte Mann die Vierzig-Kilo-Hantel zwanzig Mal in die Höhe. Die Blicke der Jugendlichen verraten Respekt, immerhin zählt Dreke schon 55 Jahre. Auch bei Liegestützen zeigt der Sozialarbeiter, was er drauf hat, legt sauber 20 vor. Die Jungs wollen nachziehen - doch der beste schafft gerade mal fünf. Dreke registriert den Ehrgeiz: Die Truppe ist willig, möchte sich gern an den Geräten verausgaben. Die meisten Jugendlichen kommen regelmäßig zum Streetworkerbus - nicht zuletzt, weil es ihnen an Alternativen fehlt. Zweiter regelmäßiger Anlaufpunkt ist das Internetcafé. Mit dem Kraftraum können sie nun ein Stück Freizeit sinnvoll gestalten: "Es ist besser, sie toben sich aus und bauen hier ihre Aggressionen ab als auf der Straße", sagt Dreke, der vor 15 Jahren schon den ersten Trainingsraum im Jugendzentrum ins Leben gerufen hat. 15 Jugendliche haben sich bis jetzt im alten Rathaus angemeldet, verteilen sich auf die beiden Wochentermine. "Was wir dringend brauchen sind funktionstüchtige, gebrauchte Geräte", sagt Dreke. Mit rostigem Eisen lässt sich schlecht trainieren. Kraftraum im alten Rathaus

Neue Heimat Der alte Kraftraum im Keller des Jugendzentrums stand aus baurechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Im alten Rathaus hat der Kraftraum ebenso wie die Tafel eine neue, vorläufige Heimat bekommen.

Provisorium Was mit dem ehemaligen Rathaus auf Dauer geschieht, soll im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die Innenstadtentwicklung entschieden werden.

Geräte Wer gebrauchte Sportgeräte für den Kraftraum spenden möchte, kann sich bei Erich Dreke unter Telefon 0 20 51/26-25 57 oder außerhalb der Dienstzeiten unter 0172/862 96 77 melden.