Velbert: Traditionslokale verschwinden
Nach 70 Jahren hat das Restaurant „Zur Traube“ geschlossen. Damit ist jetzt das vierte bekannte gutbürgerliche Restaurant in Velberts Innenstadt Geschichte.
Velbert. Weiden, Wiesen und Äcker reichten bis an die Haustüren, in den Hinterhöfen arbeiteten die Schmiede. Regelmäßig klackerte ein Pferdewagen auf dem Kopfsteinpflaster der Werdenschen Kohlenstraße vorbei. 1816angelegt, wurde sie die wichtigste Transportstraße zwischen Werden und Solingen und verlief über Velbert. Nach dem beschwerlichen Aufstieg aus dem Ruhrtal machten die Fuhrleute in einer der vielen Schankwirtschaften Rast, zu denen schon damals das Hotel-Restaurant "Zur Traube" gehörte.
Anfang April schloss die Gaststätte nach 70 Jahren unter Leitung der Familie König ihre Pforten. Der Hotelbetrieb wird jedoch weiterlaufen. Grund für die Aufgabe des Restaurants: "Der Rücken ist kaputt", sagt Küchenchef Harald Koyka, seit 32 Jahren im Betrieb. Eine Berufskrankheit. Der 60-Jährige schied nun aus. Und Hotelchefin Helga König-Stratmann hat lange überlegt: "Es war ein innerer Kampf, aber mit meinen 76 Jahren schaffe ich es nicht mehr, noch einmal mit einem jungen Koch zu starten. Wenn ich 30 Jahre jünger wäre, würde ich die Ärmel hochkrempeln und wieder selbst rangehen."
Damit schließt nach "Stüttgen", "Alte Herrlichkeit" und "Rheinischer Hof" innerhalb weniger Jahre mittlerweile das vierte traditionsreiche Restaurant in Velbert. Alle waren sie gastronomische Institutionen.
Das "Hotel Stüttgen" an der Friedrichstraße/Ecke Bahnhofstraße, in dem Helga König-Stratmann in den 1950er-Jahren ihre Kochlehre absolviert hatte, begann 1824 als dörfliches Gasthaus und entwickelte sich zum "Hotel mit Speisegaststätte". Die Gäste versammelten sich zu gemeinsamen Mahlzeiten an der so genannten "table d’hôte" und kamen dadurch zwanglos in engere geschäftliche - möglicherweise auch private - Berührung. "Das Menü bestand aus Suppe, drei Gängen, Nachtisch und einer halben Flasche Wein und kostete nur einen Taler", heißt es in einer Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Velberter Wirtevereins 1954.
Seit 1879 im Besitz der Familie Stüttgen, leiteten es zuletzt 40Jahre lang Hans Willi und seine Frau Hildegard in dritter Generation, bis sie im April 2001 die Pforten schlossen. Auch hier war zunächst die für jedermann zugängliche Gastronomie eingestellt worden, bis die Küche ganz dicht machte und nur noch den Frühstücksbetrieb aufrecht erhielt. Hans Willi Stüttgen nutzt das Haus nach dem Tod seiner Frau auch weiterhin als Ruhesitz; Neubelebung oder Verkauf seien derzeit nicht geplant. Das zum Ensemble gehörende Ladenlokal, in dem zuletzt eine Geschenkboutique untergebracht war, soll jedoch zum 1. Juni neu vermietet werden.
Nur einen Steinwurf entfernt lag der "Rheinische Hof": 1883 an der heutigen Kolpingstraße erbaut, entwickelte er sich schnell - vor allem durch den Bühnensaal - zum Festlokal. Pächter unterschiedlicher Familien wirkten als Gastwirte, zuletzt im Verbund mit der 2005 dort erbauten Seniorenresidenz. Das Restaurant schloss jedoch im Juni 2009, das Deutsche Rote Kreuz übernahm die Räumlichkeiten und betreibt darin ein hausinternes Café.
Zusammen mit dem "Rheinischen Hof" schloss die "Alte Herrlichkeit" am Offersplatz, die zur gleichen Betriebsgesellschaft gehörte und seitdem ebenfalls brachliegt. 1981 eröffnet, musste Besitzer Manfred Schroth 2007 Insolvenz anmelden; er starb im März 2009 im Alter von 68 Jahren. Wenig später erwarb die Gaststätte die Velberter "ML Treuhand GmbH", die jedoch nur die Hälfte des Kaufpreises bezahlte und nach langem Schweigen im Januar mitgeteilt hatte, den Rest in Raten begleichen zu wollen. Nach Angaben des Wuppertaler Insolvenzverwalters Werner Schniewind werde die Ratenzahlung allerdings nur schleppend eingehalten, so dass eine Wiedereröffnung des Hauses über längere Zeit auszuschließen sei.
Der Bridge-Club, der seit über 50 Jahren in den Räumen des Restaurants "Zur Traube" spielt, wird auch weiterhin dort zusammenkommen. Die fünf Lehrlinge, die Helga König-Stratmann zuletzt ausbildete, werden dies nicht. Sie hätten zwar die Küchenausbildung im Betrieb der Schwester in Heiligenhaus fortsetzen können, doch drei haben mittlerweile eine neue Anstellung gefunden, die anderen werden nach der Bewerbungsphase laut König-Stratmann das Haus ebenfalls verlassen.