Wülfrath: Eine Straße für Generationen

Die Maikammer feiert am Wochenende ihren 70. Geburtstag. Uschi Großmann erinnert sich an ihre Kinderjahre.

Wülfrath. "Ich hatte eine tolle Jugend. Die Steinkulle war unser Spielplatz. Da waren wir, bis abends der Vater pfiff. Dann war gehorchen angesagt." Es blitzt in Uschi Großmanns Augen, wenn sie von "damals" erzählt. Damals in der Maikammer. Die Geschichte dieser Straße ist auch ihre Lebensgeschichte.

Die Maikammer wird 70 in diesem Jahr. Uschi Großmann auch. "Ich war drei Monate alt, als wir eingezogen sind." Das Siedlungsjubiläum wird am Samstag gefeiert. Um 10 Uhr geht es auf dem Platz in der Mitte des Straßenzugs los.

Stadt, Politik und Industrie waren sich einig: Die arbeitende Bevölkerung sollte die Chance erhalten, einen gesicherten Wohn- und Landbesitz schaffen zu können. Und in den ausklingenden 30er Jahren war man seiner Zeit voraus. Jedes Haus wurde an die Wasser- und Stromversorgung angeschlossen.

Die Abwasserentsorgung erfolgte noch über Sickerschächte. "Die Fäkalien von Mensch und Tier landeten auf dem Komposthaufen", weiß Manfred Hoffmann, Vorsitzender der Siedlervereinigung. In einer neuen Chronik schaut er in die Historie, stellt dar, dass die Siedlung seinerzeit beispielhaft gewesen ist. "Da kamen sogar Besuchergruppen. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass das Projekt zur nationalsozialistischen Propaganda genutzt wurde."

7000 Reichsmark - das war der Preis, der pro Haus zu entrichten war. 1000 Quadratmeter waren die Grundstücke, 60 bis 70 Quadratmeter die Häuser in den Anfangsjahren groß. 41 Häuser wurden in der ersten Bauphase errichtet. In den ausladenden Gärten bauten die Siedler Gemüse und Obst an, "Und in den heutigen Kellern wurden ganz früher die Tiere gehalten", berichtet Hoffmann.

Uschi Grossmann nickt und lächelt wieder: "Wir hatten immer Karnickel im Haus. Und eine Pute, meist auch ein Schwein." Die Maikammer-Bewohner versorgten sich selbst. Und das mit Erfolg. "Ich kann mich nicht erinnern, mal Hunger gehabt zu haben", sagt Uschi Grossmann.

1957 haben Hoffmanns Eltern an der Maikammer gebaut. Überhaupt entstanden im unteren Bereich neue Häuser, "und der alte Bestand änderte sich," so Hoffman. Für die Tiere wurden beispielsweise Stallungen errichtet. "Und wir hatten damals das erste Badezimmer der Straße", merkt er an.

Sein Haus wurde übrigens in den 80er Jahren fertiggestellt - der vorläufig letzte Neubau. Inzwischen wohnen drei Generationen in der Straße, die bei ihrer "Gründung" am Rande der Stadt lag - heute von ihrer Innenstadtnähe profitiert. "Einkaufen können wir zu Fuß", sagt Uschi Großmann.

Ende der 70er Jahre begann der große Wandel: Das Baugebiet Maikammer-West (Heinrich-Heine-Straße) stand in den Startlöchern. Die Steinkulle verschwand. Im Gartenland der Siedler ließ ein neuer Bebauungsplan neues Bauen zu.

Auf einem Grundstück, auf dem einst ein Einfamilienhaus stand, steht heute beispielsweise ein Gebäude, das sechs Familien beherbergt. Viele Häuser wurden verkauft. "Ich kenne nicht mehr alle Nachbarn", sagt Uschi Großmann. Am Samstag rücken die Siedler wieder zusammen. Hoffmann: "Und das hat dann auch wieder Tradition."