Wülfrath: Mut tut Grundschülern gut
In zwei Projekttagen lernten Viertklässler der Grundschule Ellenbeek Solidarität, Zivilcourage und Konfliktfähigkeit.
Wülfrath. Wenn Leon nicht in wenigen Sekunden noch einen Platz auf einem Stuhl findet, dann ist das Spiel aus. Also läuft er um den Stuhlkreis, wird dabei immer schneller. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Aber: Einen Platz zu finden, ist für den Viertklässler ein schwieriges Unterfangen. Denn auf den sechs Stühlen stehen bereits 16 seiner Mitschüler.
Sie allein haben schon alle Mühe, sich auf den Stühlen zu halten. Trotzdem: Alle bemühen sich, noch enger aneinander zu rücken, damit Leon sich noch auf eine kleine Ecke des Stuhlkreises stellen kann. Nach etwa 30 Sekunden haben sie es geschafft. Leon steht bei ihnen. Die Viertklässler jubeln über ihren Erfolg und darüber, dass sie zusammen ein Problem gelöst haben. Denn genau das war Ziel des Spiels.
Zwei Tage besuchen die Schüler der Klasse 4b der Grundschule Ellenbeek das Projekt "Mut tut gut". Dadurch sollen sie Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt und Freundlichkeit genauso lernen wie das Erkennen von Konflikten und wie sie diese konstruktiv lösen können.
"Über Gewalt und Aggression reden zwar viele, aber die wenigstens tun tatsächlich etwas dagegen. Das wollen wir mit diesem Projekt ändern", sagt die Schulsozialarbeiterin Anke Taler. Sie leitet mit ihrer Kollegin Elke Stracke die Projekttage, und beide Sozialarbeiterinnen wissen aus ihrer Praxis an Schulen: Schlägereien, Erpressungen und Pöbeleien sind keine Seltenheit. "Auch in Wülfrath nicht", betont Taler.
Bei den Spielen und Aktionen im Rahmen von "Mut tut gut" ginge es aber jetzt nicht darum, dass die Kinder "irgendwelche Mutproben" bestehen, bemerkt Stracke. Sondern darum, dass die Kinder Selbstbewusstsein entwickeln, sich und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Und dies geschieht zum Beispiel durch eine Übung, bei der sich die Schüler gegenseitig massieren. Dafür tun sie sich zu zweit zusammen.
Einer legt sich auf den Boden, der andere massiert. Nach einiger Zeit wechseln sie die Positionen. Anke Taler zeigt den Kindern, wie sie sich auf unterschiedlichste Art und Weise durchkneten und locker machen können. Manche Kinder schließen bei der Übung die Augen. Für sie ist die Massage angenehm. Andere wiederum empfinden gewisse Griffe als unangenehm. Nach der Übung sitzen die Viertklässler mit den beiden Schulsozialarbeiterinnen in einer Runde und unterhalten sich darüber, wie sie die Massage wahrgenommen haben.
"Mir hat die Übung sehr viel Spaß gemacht", sagt Moritz Grassnick. Dadurch habe er, sagt der Zehnjährige, gelernt, dass jeder auf unterschiedliche Art und Weise auf bestimmte Griffe reagiert. Auch sein Schulkamerad Luke Klatt hat es gefallen, dass er massiert wurde. "Ich war überrascht, dass es mir leicht fiel, einer anderen Person bei der Massage zu vertrauen."
Zuerst habe er eigentlich nicht wirklich geglaubt, dass er etwas bei dem Projekt lernt. Da habe er sich eigentlich nur darüber gefreut, kein Unterricht haben zu müssen. Doch jetzt, nach den zwei Tagen, hat er seine Einstellung geändert: "Das war hier auch wie Unterricht, da wir eine ganze Menge gelernt haben, nicht nur gegenseitiges Vertrauen, sondern auch, wen wir bei einem Problem oder Streit in der Schule ansprechen können."
Wichtig ist dieses Wissen für die Kinder beispielsweise dann, wenn sie erpresst werden. "Dann gehen die wenigsten gerne zu ihren Eltern und erzählen denen von ihrem Problem. Viele wollen dann lieber mit einer anderen Person darüber sprechen", weiß Sozialarbeiterin Anke Taler aus Erfahrung.
Es gibt aber noch einen Grund, warum es gut ist, dass die Viertklässler Mut lernen - der nahende Übergang zur weiterführenden Schule. Melina Ide fühlt sich durch "Mut tut gut" gut vorbereitet für den Schulwechsel. "Jetzt wissen wir auf jeden Fall, wie wir uns ohne Gewalt gegen die Älteren durchsetzen können."