Flüchtlinge: Streit um ungerechte Gebühren
Für den Platz im Übergangsheim liegen die Nebenkosten für Mutter und Baby gleich hoch.
Brüggen. Dieter Keil will Gerechtigkeit. Der Nettetaler hilft ehrenamtlich Flüchtlingen, sich im Alltag in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden. Eine von ihnen ist Selemawit Angosom (32). Vor rund zwei Jahren kam sie aus Eritrea nach Deutschland, heute wohnt sie in einem Übergangsheim in Brüggen. Sie tut das nicht allein. Vor neun Monaten kam ihre Tochter Lidya auf die Welt, mit der sie nun in dem Heim lebt — hier beginnt die Geschichte des Kampfes von Dieter Keil gegen einen aus seiner Sicht ungerechten Umgang mit der jungen Familie.
Hintergrund: Nach der Satzung der Burggemeinde Brüggen muss Angosom für die Möblierung sowie die Nebenkosten — Grundbesitzabgaben, Heiz- und Stromkosten — aufkommen. Bezahlt werden die Posten vom Jobcenter, da Angosom anerkannte Asylbewerberin ist. Soweit, so üblich. Die Ungerechtigkeit besteht für Dieter Keil darin, dass die Gemeinde für Angosoms Tochter dieselben Summen berechnet — etwa Heizkosten, obwohl beide in derselben Wohnung leben.
Nach Auffassung des Flüchtlingshelfers ist das ungerechtfertigt: In einem Schreiben an die Gemeinde hinterfragt er das Verfahren, dass der Zuschlag für die Möblierung sowie Grundbesitzabgaben und Heizkosten automatisch doppelt erhoben werden, wenn zwei Personen in einem Raum leben. Zudem könnten die Grundgebühr und die Pauschale für die Stromkosten für einen Säugling nicht voll, sondern nur anteilig berechnet werden. Das Problem für die junge Familie liege außerdem darin, dass vom Jobcenter ein kleinerer Betrag für den Mietraum gezahlt werde, als von der Gemeinde gefordert — so würde der Restbetrag von den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) abgezogen. Wären die Gebühren geringer, bliebe also mehr für die Familie übrig.
Unterstützung bekommt Keil von einem Anwalt, den er um Hilfe gebeten hat. Der Jurist, der nicht namentlich genannt werden möchte, fragt: „Wieso verdoppeln sich alle Kosten, wenn zwei Leute in dem Raum leben?“ Gleichzeitig stellt er aber auch klar, dass sich an der Sachlage kaum etwas ändern lasse: „Der Bescheid ist rechtskräftig.“
Tatsächlich sieht Artikel zwei, Paragraph fünf der Brüggener Satzung über die Einrichtung und Benutzung von Übergangsheimen vor, dass „die Benutzungsgebühr je Person“, berechnet wird. Dass dies so ist, liegt am Kostendeckungsprinzip, sagt Thomas Jäger, Fachbereichsleiter Personal, Organisation und Finanzen: Nach dem landesweiten Kommunalabgabengesetz würden demnach die Kosten, die in allen Übergangsheimen der Gemeinde anfallen, durch die Gesamtzahl aller Unterbringungsplätze geteilt und dann pro Platz erhoben — unabhängig davon, wie die Zimmer belegt seien oder die Familienkonstellation aussehe: „Eine Differenzierung nach Lebensalter ist nicht Gegenstand des gebührenrechtlichen Berechnungsmodells“, heißt es in einer Erklärung der Gemeinde.
Dass durch diese Regelung in einer Wohnung, in der mehrere Menschen unterkommen, schnell Tausende Euro abgerechnet werden, bestätigt Anja Tiskens, stellvertretende Leiterin des Bereichs Soziales: „Leider ja“, sagt sie. Die Verwaltung merkt jedoch an, dass sie andersherum auch die Kosten für die Heime nicht wieder einnehme, wenn nicht alle Plätze belegt seien.
Keil will sich nun nach einer neuen Wohnung für die Familie umsehen. „Leider muss die in Brüggen liegen. Das erschwert die Suche“, sagt er. Die Bezirksregierung hat eine dreijährige Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber ausgesprochen. Für Angosom würde mit einer eigenen Wohnung ein großer Wunsch in Erfüllung gehen. „Ich will nur einen Platz finden, an dem wir glücklich sein können“, sagt sie.