Bauerfeind: Wut auf die Wirtschafts-Bosse
Ende 2008 ist Schluss an der Arnoldstraße. Dem Schock von Donnerstag folgt nun Ernüchterung.
Kempen. Am Tag eins nach der Betriebsversammlung, auf der bekannt wurde, dass der Kempener Standort der Firma Bauerfeind geschlossen wird, herrscht auf dem Unternehmensgelände an der Arnoldstraße 15 beinahe gespenstische Stille. Von der 200-köpfigen Belegschaft, die fürs Erste normal weiterarbeitet, ist außerhalb des Gebäudekomplexes nichts zu sehen.
Erst am Nachmittag, bei Schichtwechsel, machen einige ihrem Ärger Luft. Gegen 14Uhr versammeln sich Betriebsräte und einige Mitarbeiter vor dem Gelände. IG-Metall-Sekretärin Gisa Prentkowski-Freitag ist vorbeigekommen, um den Bauerfeind-Betriebsrat zu unterstützen. Außerdem ist ein WDR-Team vor Ort.
(Theo Balters, Mitarbeiter)
"Die meisten bei uns arbeiten ja im Akkord. Dann geht es direkt vom Geld ab, wenn jemand die Arbeit niederlegt", begründet Theo Balters (Foto), warum alles scheinbar seinen normalen Gang nahm. Der 59-jährige Elektro-Installateur ist seit 27Jahren bei Bauerfeind. Auch für ihn kam die Hiobsbotschaft am Donnerstag überraschend. "Ich hatte geplant, mit 63 in Rente zu gehen- jetzt ist wieder alles offen."
Wie für viele, die noch bei Bauerfeind in Kempen in Lohn und Brot stehen, wird es auch für ihn schwierig, vielleicht unmöglich, einen gleichwertigen Job zu finden. "Die Jüngeren und Über-60-Jährigen sind schon weg, die meisten Verbliebenen sind zwischen 45 und 60Jahre", berichtet der St.Huberter.
Der 59-Jährige lässt nach wie vor nichts auf seinen Arbeitgeber kommen. Was ihn- wie viele andere- allerdings wurmt, ist Folgendes: "Wir haben hier die ganzen Jahre für das Unternehmen richtig Geld verdient und den Aufbau des Werks in Thüringen gewährleistet. Jetzt sind wir in einem kritischen Alter, und Kempen wird dichtgemacht." Insbesondere ab Mitte der 80er-Jahre, als das markante Bauerfeind-Haus an der Arnoldstraße entstand und die Mitarbeiterzahl noch mal nach oben schnellte, habe Kempen tiefschwarze Zahlen geschrieben. Immerhin ist Theo Balters zuversichtlich, dass Bauerfeind sich in Sachen Abfindungen nicht lumpen lässt.
"Das finanziell Beste für die Belegschaft herausholen", ist auch das Ziel von IG-Metall-Frau Gisa Prentkowski-Freitag. Sie kritisiert, dass der Betriebsrat von der Schließung nicht vorab informiert wurde. "Hier im Kempener Werk ist die Arbeitnehmervertretung stark, viele Mitarbeiter sind organisiert. Das war Herrn Bauerfeind immer ein Dorn im Auge. In Zeulenroda dagegen gibt es keine Arbeitnehmervertretung in dieser Form."
Am liebsten wäre der Gewerkschafterin, die Arbeitsplätze zu erhalten - "die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Hier arbeiten viele Frauen, für die ist es ohnehin schwerer, einen Job zu bekommen."
Solche Sorgen macht sich auch Elvira Ramb. Die schwer behinderte Kempenerin ist seit 21 Jahren bei Bauerfeind und geht auf die 50 zu- "sowieso ein schwieriges Alter". Ob die Alleinstehende vom Angebot, einen Arbeitsplatz bei der Zentrale in Zeulenroda anzunehmen, Gebrauch machen will, weiß sie noch nicht: "So etwas will gut überlegt sein."
In die gleiche Kerbe, doch mit viel drastischeren Worten, haut die Mitarbeiterin Sabine Hupe: "Jetzt sitzen wir alle auf der Straße, obwohl die Firma immer noch gute Gewinne erzielt." In Zeulenroda gehe der Aufschwung weiter, "schön gefördert vom Staat, und wir hier haben das Nachsehen".
Ähnlich sieht das Andrea Tepass, die seit 15 Jahren bei Bauerfeind arbeitet: "Mit dem Soli haben wir unseren eigenen Untergang bezahlt", sagt sie und kritisiert auch das Vorgehen von Hans Bruno Bauerfeind: "Unser angeblich so sozialer Chef hat uns nicht einmal persönlich mitgeteilt, dass hier Schluss ist. Selbst die Kempener Geschäftsleitung hat davon erst vorgestern erfahren." Ihr Wunsch für die Zukunft: "Ein netter Unternehmer in der Region, der die komplette Belegschaft übernimmt. Wir sind ein gutes Team."
Hans Bruno Bauerfeind steht momentan für ein Gespräch auch für die WZ nicht zur Verfügung. Der Unternehmer nehme zurzeit "wichtige Geschäftstermine außerhalb Deutschlands wahr", heißt es in Zeulenroda.