Café Mum Berichte von Krieg und Flucht

Im Café Mum waren zwei Syrer zu Gast. Auch die Vorfälle auf der Kölner Domplatte waren Thema.

Foto: Kurt Lübke

Grefrath. Als Iris Kanzler-Lange im vergangenen Jahr das Begegnungsfest an der Grefrather Asylbewerberunterkunft am Reinersbach besuchte, traf sie Ahmed (Namen von der Redaktion geändert). Der 23-jährige Syrer hat in Aleppo studiert. Aber er — und später auch seine Familie — mussten aus ihrem Land fliehen. „Ein sehr netter junger Mann“, erinnert sich Iris Kanzler-Lange an ihren ersten Eindruck. Auf der Flucht über Osteuropa habe er anderen Flüchtlingen geholfen, sie mit Hilfe seines Handys durch den Wald gelotst. Unterwegs habe er nur mit Hilfe des Internets Englisch und auch schon ein wenig Deutsch gelernt. Er möchte hier in Deutschland gerne wieder studieren. Er hat einen starken Willen, stellte Iris Kanzler-Lange fest und dachte: „Ihm musst du helfen.“

Mittlerweile betreut die 50-jährige Grefratherin, die in der Krankenpflege tätig ist, drei syrische Flüchtlinge. Bei den „Donnerstagsfrauen“ im Mum-Café schilderte sie ihre Erfahrungen — und hatte zwei ihrer Schützlinge mitgebracht. Auf Englisch und ein wenig Deutsch — manchmal reichten auch Gesten — erzählten sie den Frauen von sich und stellten sich den Fragen.

Mit dabei: Hakim (Name von der Redaktion geändert). Er möchte nicht, dass sein richtiger Name in der Zeitung steht, denn er hat Angst um seine Familie. Der 36-jährige Elektroingenieur hatte ein gutes Leben in Syrien, bis der Krieg kam und sein Land zerstörte.

Er wollte nicht zum Militär. „Ich wollte niemanden töten“, erklärt er bewegt. Darum hat er sich entschieden, seine Frau und seine vier und sechs Jahre alten Töchter zurückzulassen, um in Deutschland ein besseres Leben für die Familie zu finden. Nun sind die Anträge gestellt. Doch bis die Familie nachkommen kann, wird es noch dauern.

In Syrien, so erzählt es Iris Kanzler-Lange, haben die Frau und die Mädchen ihre Wohnung seit Monaten nicht verlassen. Sie hören die Bomben und sie haben Angst. „Wir hoffen, dass die Familie im August kommen kann“, erklärt Kanzler-Lange, und Hakim huscht ein Lächeln über das sonst so ernste Gesicht.

Natürlich seien es unterschiedliche Kulturen, die nun zusammentreffen, sagt Iris Kanzler-Lange. Die Ereignisse, die sich in der Silvesternacht in Köln abgespielt haben, bewegen nicht nur die Frauen im Mum-Café, sondern auch die syrischen Männer. Es seien nicht alle Syrer gut, es seien aber auch nicht alle schlecht. „Wir respektieren die Gesetze Ihres Landes“, sagt Hakim über sich und seine Freunde. Sie müssten noch viel lernen. Aber sie wollen in gutes Leben führen. Auch Ahmed sieht das so. Schließlich sein man ja in Syrien vor der Kriminalität geflohen.

Frieden und Demokratie, erklärt Hakim, das will er auch für seine Familie. Er ist sehr dankbar für die Hilfe, die er in Deutschland bisher erfahren hat. „Sie geben uns wieder ein Leben.“ Hakim arbeitet intensiv daran, seiner Familie ein gutes Leben in Deutschland bieten zu können. Er hat einen Deutschkurs begonnen und schickt die Arbeitsblätter via Computer auch gleich an seine Frau nach Syrien weiter, damit auch sie schon einmal Deutsch lernen kann. Er bemüht sich um die Anerkennung seiner Abschlüsse und um Arbeit. Auch eine Wohnung möchte er finden.

Das alles bedeutet einen enormen bürokratischen Aufwand. Iris Kanzler-Lange ist in diesem Bereich zur Fachfrau geworden. Paragrafen, Anträge, Warten — das alles kennt sie mittlerweile allzu gut. Ruhe bewahren und im Kontakt mit den Behörden stur bleiben, rät sie. Wichtig sei, dass Flüchtlinge nach Abschluss des eigenen Asylverfahrens nur drei Monate Zeit hätten, ihre Familie nachzuholen. Wenn das nicht geht, muss man diese Frist in einem kurzen Schreiben aufheben lassen. Aber viele wüssten davon nichts.

Zwar nehme die Hilfe Zeit in Anspruch, sagt Iris Kanzler-Lange. Aber es lohne sich auch. Es sei eine große Bereicherung und es mache Spaß. „Wir haben auch viel zu lachen“, sagt sie und ermuntert die Anwesenden ebenfalls zu helfen. Beim Gang durch die Flüchtlingsunterkünfte habe sie noch mehr Menschen gesehen, die Hilfe brauchen.

„Wir sind dankbar, dass wir Menschen haben, die die Flüchtlinge eins zu eins begleiten“, sagt Annemarie Quick. Die Gleichstellungsbeauftragte koordiniert die in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich Tätigen. Es passiere viel in Grefrath. Es gebe mittlerweile drei Deutsch-Kurse und zehn ehrenamtliche Deutschlehrer in der Gemeinde.