WZ: Wie kommt es, dass Sie Lehrer geworden sind?
Abschied Uwe Hötter „Ich war immer ein Lernender“
Kempen · Der Leiter der Gesamtschule, Uwe Hötter, zieht anlässlich seines Abschies vom Amt Bilanz.
Der 67-Jährige Gesamtschulleiter Uwe Hötter wurde am Dienstag im Rahmen einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet. Im WZ-Interview sprach der 67-jährige Pädagoge über seinen Werdegang, die Entwicklung der Kempener Schullandschaft und seine Perspektiven nach dem Berufsleben.
Uwe Hötter: Ich war als Jugendlicher in Uerdingen in St. Paul verantwortlich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Das hat mich unter anderem bewogen, Lehrer zu werden. An der Theodor-Heuss-Realschule in Neukirchen-Vluyn, meiner ersten Station nach der Ausbildung, hatte ich einen Vertretungsvertrag für 12 Stunden, wurde schließlich fest übernommen und blieb bis zum Jahr 2000 dort. Ich war gerne Klassen- und SV-Lehrer. Im kommenden August treffe ich mich wieder mit meiner ersten eigenen Klasse und mit meiner ersten Religionsgruppe habe ich auch noch Kontakt.
Was ist Ihr Fazit Ihrer 42 Jahre als Lehrer?
Uwe Hötter: Es ist ein wunderbarer Beruf – die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, für Kinder und Jugendliche Schule gestaltenwar wie ein Jungbrunnen für mich. Die Begegnung mit allen an Schule Beteiligten hat meist Freude bereitet. So war ich auch immer Lernender und offen für neue Entwicklungen. Ich hatte Glück mit meinen Schulen und den Menschen, mit denen ich Bildung und Erziehung vor Ort gestalten durfte. Und auch heute noch, wenn ich auf den Schulhof gehe und die Kinder und Jugendlichen sehe, weiß ich, wofür ich arbeite.
Wie würden Sie Ihre Zeit in Kempen beschreiben?
Hötter: Kempen war für mich ein Glücksfall, erst in der Erich Kästner Realschule und dann hier beim Aufbauprozess. Überall hatte ich engagierte Kolleginnen und Kollegen und hervorragende weitere Mitarbeiter. Den Auftrag zum Aufbau unserer Gesamtschule, gemeinsam mit einem starken Team, habe ich gerne übernommen und er hat mich neu motiviert, auch wenn dieser Prozess sehr herausfordernd war. Aus diesem persönlichen Erleben und durch den Austausch mit Menschen im Gesamtschulkapitel war ich rasch überzeugter Gesamtschulleiter. Schulträger, Schulaufsicht und auch engagierte Elternvertreter haben das Ganze konstruktiv begleitet.
Wie haben Sie den Übergangsprozess erlebt?
Hötter: Ich war zunächst skeptisch. Wir hatten zwei starke Schulen. Ich war immer Verfechter des dreigegliederten Schulsystems und auch von der Schulform Realschule überzeugt. Aber alles hat seine Zeit. Und ich bin froh, dass die Stadt den gesellschaftlichen Veränderungen mit der Gründung einer Gesamtschule Rechnung getragen hat. Die Vielfalt und das gemeinsame Lernen habe ich als bereichernd erlebt. Zuvor wurde nach der obligatorischen Elternbefragung eine Vorbereitungsgruppe unter Beteiligung von Stadt und Bezirksregierung zur Planung der Gesamtschule gegründet. Ich wurde ihr Leiter. Der Übergangsprozess verlief konstruktiv und fair, auch Dank der Zusammenarbeit mit Frau Strohe, die meine Nachfolge in der Realschule übernahm. Bewährte Kolleginnen und Kollegen aus den auslaufenden Schulen kamen sukzessive in unsere Gesamtschule und arbeiteten vielfach auch zunächst in beiden Systemen. Bei der Gründung waren damals zwölf Kolleginnen und Kollegen, sechs Klassen gingen an den Start, quasi eine „Zwergschule.“ Heute haben wir 110 Lehrerinnen und Lehrer dazu pädagogische MitarbeiterInnen, Kräfte für die Verwaltung, Hausmeister und Reinigungskräfte. Aktuell sind 1253 Schüler und Schülerinnen angemeldet und für das kommende Schuljahr müssen zum zweiten Mal sieben Eingangsklassen gebildet werden.
Wo steht die Kempener Gesamtschule heute aus Ihrer Sicht?
Hötter: Dass der Neubau verlässlich auf den Weg gebracht worden ist, erfüllt mich mit Freude und dies war ja auch einer der Gründe für mich, noch weiterzumachen – und natürlich mit dem ersten Abiturjahrgang gemeinsam diese Schule jeweils in einen neuen Lebensabschnitt zu verlassen. Die Ex-Martinsschule wird für die Oberstufe saniert. Es fehlen noch Gebäude für zwei Klassen. Und die weiteren Gebäude werden auf dem Ludwig-Jahn-Platz gebaut. Ich bin froh, dass das eine überwältigende Mehrheit fand und dass ein zusammenhängendes Schulgelände entstehen wird. So bekommt die Gesamtschule auch ein räumliches Herz. Unsere Gesamtschule besteht aus vier bestens aufgestellten Abteilungen. Ein erfahrenes Beratungsteam und sozialpädagogische Kräfte tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler in ihren Persönlichkeiten gestärkt und auch durch Krisen geführt werden. Deshalb ist das hier auch keine Lernfabrik, sondern die Schule ist geprägt von Menschlichkeit und persönlicher Zuwendung. Ich habe ein starkes Leitungsteam und mit Frau Torun-Schneider eine äußerst kompetente Nachfolgerin. So kann ich mich frohen Mutes und entspannt offiziell zum 31.Juli in den sogenannten Ruhestand verabschieden. Ich weiß diese Schule in guten Händen.
Wie haben sich die Schüler verändert? Man hat ja das Gefühl, die Konflikte an Schulen sind tiefgreifender geworden.
Hötter: Ja, es gibt immer mehr Schülerinnen und Schüler, die tiefgreifende Probleme mitbringen. Die Orientierung in der heutigen Zeit bei Angebotsvielfalt und auch Konsumorientierung ist schwieriger geworden, die sozialen Medien haben das Verhalten massiv verändert, wie im Bereich des Cybermobbings. Kinder und Jugendliche brauchen stärkere Hilfen. Der Anteil an Erziehung in der Bildungsarbeit hat zugenommen. Bildung und Erziehung müssen noch intensiver aufeinander bezogen sein. Wir müssen in dem System insgesamt stärker noch auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler gucken, sie individualisierter fördern. Zunehmend haben wir auch Kinder mit Förderbedarf in der Gesamtschule, die durchweg integriert sind und wie auch in diesem Jahr die Schule mit entsprechenden guten Abschlüssen verlassen werden. Auch die Förderung und Eingliederung der Flüchtlingskinder aus den Kriegsgebieten ist uns in Kempen insgesamt gut gelungen.
Was ist Ihr Plan für den Ruhestand?
Hötter: Erstmal runterkommen, durchatmen und im nächsten Lebensabschnitt ankommen. Das, was zu kurz gekommen ist, in den Blick nehmen: z.B. Kontakte zu Freunden pflegen und auch mehr Zeit mit der Familie verbringen. Ich möchte in Bewegung bleiben, viele Orte mit meiner Frau, die vor einem Jahr in den Ruhestand als Grundschulrektorin ging, in der näheren und weiteren Welt erkunden. Außerdem möchte ich mich ehrenamtlich engagieren. Aber was das konkret sein wird, kann ich noch nicht sagen.