Stolperstein für Selma Bruch in Kempen Eine Mutter, die ihr Kind in den Tod begleitete

Kempen · Eine Sprecherin der Initiative Projekt Stolpersteine erzählte, was es mit den Steinen auf sich hat.

Ute Gremmel-Geuchen erläuterte den Schülern, welche Informationen den Stolpersteinen an der Alten Schulstraße zu entnehmen sind.

Foto: Birgitta Ronge

(biro) Selma Bruch begleitete ihr Kind in den Tod. An die Liebe einer Mutter erinnert ein Stolperstein, verlegt vor dem Haus Alte Schulstraße Nr. 10 in Kempen. Auch eine Straße in Kempen ist nach Selma Bruch benannt. Die Geschichte von Selma Bruch und ihrer Familie hörten Schüler des Gymnasiums Thomaeum am Donnerstagmorgen, als sie sich mit Ute Gremmel-Geuchen an der Schulstraße trafen. Die Sprecherin der Initiative Projekt Stolpersteine in Kempen erzählte den Schülern, was es mit den Stolpersteinen in der Stadt auf sich hat. Nachdem der Stadtrat 2014 zustimmte, verlegte Künstler Gunter Demnig nach und nach 85 Stolpersteine in Kempen. Die meisten gibt es in der Altstadt, einige auch in St. Hubert. Alljährlich findet im Gedenken an die Ereignisse der Pogromnacht eine Gedenkstunde statt, die der Kempener Geschichts- und Museumsverein ausrichtet. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden auch in Kempen Menschen jüdischen Glaubens verfolgt, ihre Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört. Ihr Gotteshaus ging in Flammen auf. Die Gedenkstunde findet auch in diesem Jahr am 9. November um 19.30 Uhr am Mahnmal für die frühere Synagoge an der Umstraße 15 statt. Um an die von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen zu erinnern, sind Schüler in Kempen alljährlich am 9. November morgens unterwegs, um die Stolpersteine blank zu polieren, damit man die Inschriften wieder lesen kann.

An der Putzaktion wird in diesem Jahr die Klasse 9d des Thomaeums teilnehmen. Vorab unternahmen die Schüler deshalb nun einen Rundgang zu einigen Steinen. Da hörten sie von Selma Bruch. „Sie war eine glückliche Frau, die gern in Kempen gelebt hat“, sagte Gremmel-Geuchen. „Doch sie wurde ermordet, nur weil sie Jüdin war.“ Eine kurze Zeit überlebte Selma Bruch im Ghetto von Riga, weil sie Näharbeiten übernehmen konnte. Doch eines Tages sah sie, wie alte Leute und Kinder abgeholt wurden, um sie nach Auschwitz zu bringen, darunter ihre Tochter Ilse. Selma Bruch stellte sich hinter ihr verängstigtes Kind und sagte: „Du musst keine Angst haben, ich komme mit dir.“ Drei Tage später, im November 1943, starben Mutter und Tochter in Auschwitz. „Sie ist mit ihrem Kind in die Gaskammer gegangen“, berichtete Gremmel-Geuchen, „und so wie Selma Bruch werden das viele Mütter gemacht haben.“ Sehr still und sichtlich bewegt hörten die Schüler zu, als Gremmel-Geuchen dort und an weiteren Steinen stehenblieb, erzählte, ihnen Fotos zeigte und sie lesen ließ, was sich per Stolperstein-App abrufen lässt. Diese entwickelte der WDR für Stolpersteine in ganz NRW. Auch die Kempener Steine sind dort verzeichnet.

(biro)