Herr Netenjakob, wie sind Sie ursprünglich zur
Comedy gekommen?
Moritz Netenjakob zu Gast in St. Hubert „Hinter Humor sollte eine grundsätzliche Menschenliebe stehen“
Interview | Kempen · Der Kabarettist tritt in St. Hubert auf. Ein Gespräch über seine Vorbilder, Humor und bierernste Schwaben.
Der Kabarettist, Bestsellerautor und Grimme-Preisträger Moritz Netenjakob hat mit Größen wie Bastian Pastewka oder Anke Engelke zusammengearbeitet. Nächste Woche tritt er mit seinem Programm „Das Ufo parkt falsch!“ im Forum in St. Hubert auf. Im Gespräch redet er über Otto Waalkes auf dem Schulhof, bierernste Schwaben und die Frage, ob im Humor alles erlaubt ist.
Moritz Netenjakob: Mein allererster Berufswunsch war Zirkusclown. Später wollte ich Fußballreporter werden. Aber schon im Teenageralter war klar: Es muss irgendetwas mit Humor sein. Auf dem Schulhof habe ich die Lehrer, Hallervorden oder Otto Waalkes imitiert. Zunächst war ich aber zu schüchtern, um selber aufzutreten, bin zu Beginn der Neunziger bei der schreibenden Zunft gelandet und habe Texte für TV-Shows, zum Beispiel „Switch“, verfasst. Es stellte sich dann heraus, dass ich meine Texte so vorlesen konnte, dass die Leute gelacht haben. Irgendwann habe ich außerdem gemerkt, dass die besten Texte beim Fernsehen immer abgelehnt wurden. Ich habe dann mit Kollegen eine Lesung dieser abgelehnten Texte unter dem Titel „Zu gut fürs Fernsehen?“ initiiert. Das kam beim Publikum sehr gut an, und es zeigte sich, dass ich auf der Bühne eher machen kann, was ich will. 2006 hatte ich mein erstes Soloprogramm.
Dennoch arbeiten Sie
weiterhin auch als Autor.
Netenjakob: Ja, aber inzwischen nicht mehr fürs Fernsehen, sondern ich schreibe Bücher oder Theaterstücke. Das Stück „Extrawurst“, das ich gemeinsam mit Dietmar Jacobs, Chefautor am „Kommödchen“, verfasst habe, war letztes Jahr das in deutschen Theatern meistgespielte. Es gibt sogar eine Fassung auf Plattdeutsch!
Welche humoristischen
Vorbilder haben Sie?
Netenjakob: Im deutschsprachigen Raum ganz klar Loriot, weil er durch gute Beobachtung – das ist für mich das Wichtigste im Humor – Charaktere geschaffen hat, die aus sich heraus komisch waren. Im englischsprachigen Bereich denke ich an Monty Python mit ihrem absurderen Humor. Auch den Witz von amerikanischen Sitcoms wie Frasier oder The Big Bang Theory schätze ich.
Gibt es für Sie
Grenzen des Humors?
Netenjakob: Hinter Humor sollte immer eine grundsätzliche Menschenliebe stehen. Wenn Zynismus und Hass die Motivation sind, finde ich Humor oft falsch. Mit einem guten Herzen kann man fast zu jedem Gegenstand Witze machen.
Welche Themenbereiche decken Sie in Ihren
Stücken ab?
Netenjakob: Mein Thema ist die menschliche Natur, und den Stoff gewinne ich größtenteils aus eigener Beobachtung. Ich spreche über gesamtgesellschaftliche Themen und menschliche Eigenschaften. Im engeren Sinne interessiere ich mich für typisch deutsche Befindlichkeiten. Ich bin mit einer Deutsch-Türkin verheiratet und habe aus dem Zusammentreffen der Kulturen viel über uns Deutsche gelernt.
Sie haben Preise
erhalten, mit vielen
bekannten Namen aus der Szene zusammengearbeitet. Was würden Sie besonders
hervorheben?
Netenjakob: Stark geprägt hat mich in meiner frühen Zeit Dirk Bach. Viele kennen ihn vom „Dschungelcamp“, aber er war vor allem ein hervorragender Schauspieler und hatte eine besondere Gabe, lustige Charaktere zu spielen, was auch meinen Schreibstil verändert hat. Sehr inspirierend sind für mich auch die Begegnungen mit Christoph Maria Herbst, für den ich einige Folgen „Stromberg“ schrieb, wofür ich 2006 den Grimme-Preis erhielt. Auch er ist unglaublich präzise und kann durch bloßes Timing Humor erzeugen.
Wahrscheinlich steckt
hinter Ihren Auftritten
viel Vorbereitung …
Netenjakob: Klar. In meinem aktuellen Programm mache ich das transparent, indem ich Texte mitbringe und die Zuschauer in mein Büro einlade. Aber natürlich ist es kein einfaches Vorlesen, sondern ich schlüpfe mit meinen Parodien in zehn verschiedene Rollen. Ich bin sozusagen ein Ein-Mann-Ensemble.
Teilweise verhält sich
wohl auch das Publikum
anders als erwartet.
Netenjakob: Wenn man so viel auf Tour ist wie ich, erlebt man einige Sachen. Daher präsentiere ich auch in meinem aktuellen Programm die Top Ten der skurrilsten Begebenheiten. Zum Beispiel hatte ich einen Auftritt in Schwaben, wo einfach niemand gelacht hat. Ich war völlig verzweifelt. In der Pause kam die Veranstalterin in die Garderobe und sagte mit starkem Akzent zu mir: „Herr Netenjakob, es war ja so luschtig. Ich musste richtig an mich halten, sonscht wär des noch aus mir rausge-platzt …“
Was hat es mit dem
Titel „Das Ufo parkt
falsch!“ auf sich?
Netenjakob: In einer Nummer des Programms geht es um die Frage, was passieren würde, wenn Deutschland von einem riesigen Ufo angegriffen würde. Unsere größte Sorge wäre dann vermutlich, dass das Ufo nur ja richtig parkt. Zum Glück kommen dann noch Peter Maffay, Jan Delay und Herbert Grönemeyer zur Hilfe …
Können Sie abseits des
Berufs eigentlich
auch ernst sein?
Netenjakob: Ja, ich streue sogar bei meinen Bühnenauftritten auch ernste Momente ein! Die Leute nehmen einem das ab, wenn man keine Angst davor hat. Und natürlich bin ich auch privat manchmal absolut ernst.
Beim Blick in die Nachrichten vergeht einem derzeit oft das Lachen. Was ist da der Platz des Humors?
Netenjakob: Genau diese Frage versuche ich, auch in meinem Programm zu beantworten. Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Humor hat in meinen Augen auf jeden Fall seinen Platz in unserer Zeit.