Hilfe für Hund und Katze Mehr Lebensqualität mit Orthese und Physio
Kempen · Im Kempener Industriegebiet hat eine Praxis für Tierorthopädie und Tierphysiotherapie neu eröffnet.
Koko ist eine Handvoll Hund. Ein sogenannter Teacup-Chihuahua. Die Hündin steht auf dem Unterwasserlaufband in den Räumen von Orthopets. Die Praxis für Tierorthopädie und Tierphysiotherapie ist vor rund drei Wochen von Krefeld-Hüls nach Kempen umgesiedelt, hat dort große Räumlichkeiten im Industriegebiet „Am Selder“ bezogen.
Der kleine Hund marschiert angestrengt gegen die Wasserströmung an. An einem Hinterbeinchen ist eine Prothese befestigt, wie man sie auch aus der Humanmedizin kennt. Inhaber der Praxis ist Maximilian Philippas. Der 36-jährige Orthopädietechniker erzählt vom Schicksal der Hündin, die als Welpe aus dem fahrenden Auto geworden wurde und dabei eine mehrfache Oberschenkelfraktur erlitt. Mithilfe der bei Orthopets maßgenau angefertigten Prothese in Verbindung mit der nun durchgeführten Physiotherapie hat der Hund wieder eine gute Lebensqualität erreicht, „hat sein Leben“ zurück, wie es Philippas ausdrückt.
Tierorthopädietechniker-Beruf gibt es offiziell noch nicht
Das ist wohl auch die grundlegende Motivation, die ihn bewegt hat, sich auf ein gänzlich neues Betätigungsfeld einzulassen. Denn den Beruf des Tierorthopädietechnikers gibt es offiziell noch nicht. Philippas stammt aus Kempen-Tönisberg und ist ausgebildeter und studierter Orthopädiemeister – für Menschen. Als sein eigener Hund ein medizinisches Problem hatte, für das er keine Hilfe fand, fertigte er die erste Orthese für seinen Vierbeiner an. Dies war der Start. „Zunächst in meiner Garage in Vinnbrück vor rund acht Jahren“, erinnert er sich schmunzelnd.
Es ist Pionierarbeit, die er leistet. Und die ihn mittlerweile deutschlandweit bekannt gemacht hat. Regelmäßig ist er beim Fernsehsender Vox in „Hund, Katze, Maus“ zu Gast. Dort ist auch Vera Siggemann auf ihn aufmerksam geworden. Sie ist gerade mit ihrem Hund Blacky aus Halle/Westfalen angereist. Keine Seltenheit. Aus ganz Europa reisten mittlerweile Tierbesitzer an, berichtet Philippas.
Blacky läuft auf nur drei Beinen. Er sei so in der Türkei geboren, berichtet seine Besitzerin. Und wohl nur dank seines Charmes der Tötung entgangen, wie sie mutmaßt. Heute soll Blacky an seinem stark belasteten einzelnen Vorderbeinchen eine stützende Orthese erhalten, die für ihn maßangefertigt wurde. Eine Prothese kommt nicht infrage, da es keinen Stumpf gibt, an dem sie befestigt werden könnte. Mitarbeiterin Käthe Ehm befestigt die kleine Orthese mit Klettbändern am Beinchen von Blacky. „Ich hoffe, ihn damit unterstützen zu können, er hat soviel Lebensfreude“, sagt die Besitzerin.
Dass ein behinderter Hund Mehrkosten verursachen kann, hat sie bereits bei der Übernahme des Hundes einkalkuliert. Die Orthesen und Prothesen werden nach einer Gipsform aus verschiedenen Silikonen, Karbonmassen und Kunststoffen gefertigt. Digitaltechnik kommt dabei nicht zum Einsatz, denn es gilt viele individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen.
An festen Körperstellen wird weicherer Silikon gewählt, damit es keine Druckstellen gibt. Weiches Gewebe dagegen muss oftmals fester gegengestützt werden. „Es gibt auch große Unterschiede zur humanen Orthopädietechnik“, erzählt Philippas. Während dort Sicherheit an erster Stelle steht, sind alle Tiere als „Supersportler“ einzustufen, deren Hilfsmittel einiges aushalten müssen, um ein tiernormales Leben zu ermöglichen.
Außerdem ist jede Tierart anders. Hauptsächlich sind es Hunde und Katzen, die hier behandelt werden. Doch Philippas hat auch schon Pferden, Schweinen, Alpakas, Ziegen oder Gänsen geholfen. Gerade bei Nutztieren sei dabei die öffentliche Resonanz gespalten, erzählt er. Und es gibt auch die Fälle, die er regelmäßig ablehnt, weil dabei „der menschliche Egoismus“ größer sei als das Wohl des Tieres, das bei ihm an erster Stelle steht. Auch wenn das heißt, dass es besser ist, ein Tier von seinem Leiden zu erlösen.
Am liebsten ist dem ausgewiesenen Tierfreund, wenn er auf ein künstliches Hilfsmittel verzichten kann. „Der eigene Körper ist durch nichts zu ersetzen“, sagt er. Und hier setzt die Physiotherapie an. Arthrose, Diabetes, Kreuzbandrisse, Bandscheibenvorfälle – es sind die gleichen Probleme wie beim Menschen. Ein eigens entwickeltes hochkonzentriertes Fünf-Wochen-Trainingsprogramm soll das Tier in der Physiotherapie wieder fit machen.