Gegen Krieg und Gewalt Kempener beten für den Frieden

Kempen · Rund 150 Menschen kamen zum Buttermarkt. Heribert Welter, der Hilfstransporte organisiert, gab einen Lagebericht.

Rund 150 Menschen versammelten sich ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zum Friedensgebet auf dem Buttermarkt.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Die Solidarität ist ungebrochen, auch wenn es vor einem Jahr nach dem ersten Schock durch den Überfall Russlands auf die Ukraine beim Friedensgebet auf dem Buttermarkt noch deutlich voller war. Am ersten Jahrestag versammeln sich am frühen Freitagabend rund 150 Menschen. Trotz Kälte und bald einsetzendem Regen. Vor dem Rathaus stimmen Musiker sanfte Geigen- und Gitarrenklänge an. Es ist die Musikgruppe des freikirchlichen Christus-Centrums. Sie haben gemeinsam mit der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde zum Friedensgebet eingeladen.

Einige junge Frauen – die ukrainische Flagge liegt um ihre Schultern – halten selbstgebastelte Plakate in den Händen. „Vielen lieben Dank“ steht darauf. Ein Herz ist aufgemalt, eingerahmt von der ukrainischen und der deutschen Flagge. Oder „Stoppt den Krieg“ auf blau-gelbem Grund. Der evangelische Pfarrer Michael Gallach spricht von Trauer und Schmerz: „Das Ausmaß der Gewalt hat unsere schlimmsten Vorstellungen übertroffen.“ Ziel sei die Vernichtung der Zivilbevölkerung. „Wir lassen nicht zu, dass die Kriege vergessen werden. Wir behalten die Namen der Opfer und der Täter im Gedächtnis.“ Den nach Kempen geflohenen Ukrainern spricht er ein herzliches „Willkommen in unserer Mitte“ aus. Gemeindereferent Andreas Bodenbenner von der katholischen Kirchengemeinde betet um das Erbarmen Gottes. Dazu singen die Versammelten das hoffnungsvolle Lied „Meine Zeit steht in Deinen Händen“.

Es folgt ein eindringlicher Lagebericht aus erster Hand. Heribert Welter, selbständiger Installateur aus Kempen und aktives Mitglied der katholischen Gemeinde, hat gemeinsam mit dem Kempener Markus Dohmen seit März vergangenen Jahres bereits neun Hilfslieferungen in die Ukraine transportiert. Ziel ist das Dorf Serednje in der Westukraine am Fuß der Karpaten, rund 1600 Kilometer von Kempen entfernt. Jeweils drei Tonnen an Hilfsgütern hatten die beiden im VW-Bus samt Anhänger dabei. Zuletzt waren es vor allem Lazarett-Zelte, Verbandsmaterial und Notstromaggregate für Soldaten an der Front. „Was viele nicht wissen ist, dass die Soldaten von ihren Heimatdörfern versorgt werden“, berichtet Welter. Vor Ort transportiert ein Priester die Waren weiter in das umkämpfte Bachmut im Osten der Ukraine. Eine gefährliche Reise, bei der der Priester selbst schon schwer verletzt worden sei. Welter berichtet auch von Schikanen der ungarischen Zollbeamten, die stundenlande Verzögerungen beim Grenzübertritt zur Folge haben, obwohl alle Papiere ordnungsgemäß vorliegen. Welter sorgt sich um ein Nachlassen der Hilfe. „Wir waren die letzten Deutschen, die etwas geliefert haben“, sagt er. Am kommenden Sonntag soll der nächste Hilfstransport starten.

Eine junge Ukrainerin
schilderte ihre Sicht

Nach ihm tritt Arina Kitt ans Rednerpult. Die Worte der jungen Ukrainerin, die im März 2022 nach Kempen flüchtete, werden von Ala Nitsch übersetzt. „Menschen, die am 23. Februar friedlich zu Bett gingen, sind mit Explosionen aufgewacht, ihre Häuser wurden zerstört, ihr Leben wurde ruiniert“, sagt sie. „Gemeinsame Trauer verbindet“, mehrfach wiederholt sie diesen Satz, erinnert an den Mut ukrainischer Männer und Frauen, an Solidarität im In- und Ausland. „Der Krieg in der Ukraine ist noch nicht vorbei, aber wir haben bereits gewonnen“, sagt sie fast trotzig. „Alle, die zeigen konnten, dass wir Menschen sind, unabhängig von Nation oder Religion, haben gewonnen“, fügt sie hinzu. „Mit Wärme, Freude und unendlicher Dankbarkeit werde ich mich an diesen Ort erinnern, der mein Zuhause für die Dauer des Krieges ersetzt hat“, ruft sie.

Derweil steht etwas am Rand eine junge Frau mit einem weiteren selbstgebastelten Plakat. Aksinia erinnert an ihren Heimatort Melitopol in der Ostukraine, der unter russischer Besatzung steht. Als sie davon erzählt, treten Tränen in ihre Augen. Kirschen, Honigwaben und eine Biene hat sie dazu gemalt: Erinnerungen an bessere Zeiten. Die Gemeinde singt: „Von guten Mächten treu und still umgeben.“