Sattlergesellin bei Stübben in Kempen Mit 15 in den Beruf verliebt

Kempen · Beim Girls Day 2016 stand für Lisa Droese fest: Sie will eine Sattlerausbildung bei Stübben in Kempen machen.

Lisa Droese (22) ist Sattlergesellin bei der Stübben GmbH in Kempen. Zu ihren Aufgaben gehört das Nähen. Sie rät denjenigen, die eine Ausbildung suchen, zu einem Schnuppertag oder einem Praktikum.

Foto: Norbert Prümen

An der Nähmaschine ist Lisa Droese hochkonzentriert. Fehler will sich die 22-Jährige nicht leisten. „Ich versetze mich in den Kunden hinein, denn an seiner Stelle wäre ich auch unzufrieden, wenn etwas nicht ordentlich gemacht würde“, sagt die junge Frau. Sie arbeitet als Sattlergesellin bei der Stübben GmbH in Kempen – und möchte auch wirklich nichts anderes machen. „In diesem Beruf sieht man am Ende des Tages, was man geschafft hat“, sagt sie zufrieden. Für ihre Leistung hat sie jetzt einen Preis bekommen. Bei einem Wettbewerb der Handwerkskammer ist Lisa Droese mit ihrem Gesellenstück, einer Trense, zunächst Landessiegerin geworden, dann in die bundesweite Endausscheidung gekommen. Dort trat sie gegen drei andere Sattlerinnen und Sattler mit Spezialisierung auf die Reitsportsattlerei an und belegte den dritten Platz. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet“, sagt sie bescheiden.

Als sie sechs Jahre alt war, fing Lisa Droese mit dem Reiten an. Schnell war für sie klar, dass sie auch beruflich etwas in dieser Richtung machen möchte. Den finalen Anstoß gab ihr eine Kundin ihres Vaters, der als Handwerker im Hausbau arbeitet: „Sie war Züchterin und brachte mich auf die Idee, Sattlerin zu werden. Den Beruf hatte ich bis dahin gar nicht auf dem Schirm“, erinnert sich die 22-Jährige. Beim Girls Day 2016 besuchte sie mit ihrer Mutter die Stübben GmbH in Kempen, „und da habe ich mich sofort in den Beruf verliebt“, sagt Lisa Droese. Also absolvierte sie in der zehnten Klasse ihr zweiwöchiges Schulpraktikum an der Heinrich-Horten-Straße und wollte danach eigentlich schon ihr Abitur sausen lassen. „Warum das Abi beenden, wenn die Arbeit so viel Spaß macht?“, fragt sie und lacht. Dennoch zog sie noch die Schule durch, bevor sie sich dem Handwerk widmete.

Laut Maximilian Bolten, Marketingleiter bei Stübben, kann das Familienunternehmen, das im Jahr 2000 den Firmensitz von Krefeld nach Kempen verlegte, für die Ausbildung jedes Jahr zwischen 20 bis 25 Bewerbern wählen – und befindet sich damit im Gegensatz zu anderen Betrieben in einer glücklichen Position. So registriert die Arbeitsagentur im Kreis Viersen 178 unbesetzte Ausbildungsstellen; gleichzeitig haben in Nordrhein-Westfalen 21 Prozent der 20- bis 34-Jährigen keinen Berufsabschluss. Bei Stübben fangen jährlich zwei bis vier Azubis an – und haben laut Bolten auch gute Chancen, übernommen zu werden. Er erläutert positive Aspekte für Interessierte: „Jeder hat Entwicklungsmöglichkeiten, wir haben eine flache Hierarchie und kurze Wege.“ Etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen in Kempen, 30 davon in der Werkstatt.

Sattlergesellin Lisa Droese rät jungen Menschen, einfach mal in die Sparte hineinzublicken. „Viele haben vielleicht auch Respekt vor der körperlichen Tätigkeit“, sagt sie. Etwa für das Schleifen brauche man Kraft. „Aber ich bin 1,55 Meter groß und habe es auch geschafft.“ Trotzdem gebe es deutlich mehr Bewerbungen von Frauen als von Männern, erläutert Bolten: „Da merkt man die Liebe zum Pferd.“ Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider: „80 Prozent unserer Kundschaft sind Frauen“, sagt Bolten. Lisa Droese hat in der Taschenabteilung ihre Leidenschaft gefunden. Dort näht sie hauptsächlich, und das sehr gerne, wie sie berichtet. Angefertigt werden die Sättel bei Stübben ausschließlich als Maßanfertigung fürs Pferd und nach den Wünschen der Kunden. Das sei zwar häufig schwarz in schwarz, berichtet die Sattlergesellin, aber auch immer häufiger ein bisschen bunt. Die extravaganteste Bestellung, an der Lisa Droese bislang gearbeitet hat, war ein schwarzer Sattel mit pinken Lederdetails und Strass. „Der ging in die USA“, sagt die 22-Jährige. Wie Bolten erläutert, habe das Unternehmen nach Erscheinen des neuen „Barbie“-Films eine steigende Nachfrage nach pinken Details bemerkt.

Für ihre Gesellenprüfung hatte Lisa Droese innerhalb von zwei Arbeitstagen eine Trense von Hand nähen müssen. Darin war sie kaum geübt, denn in Kempen werden Reitsättel hergestellt. Das Lederzubehör wie eben Trensen wird dagegen im Werk in Spanien produziert. Ein halbes Jahr lang bereitete sich die junge Frau auf die praktische Prüfung vor. Dass sie gute Arbeit geleistet hat, bescheinigte ihr die Handwerkskammer kurze Zeit später mit der Urkunde für den Landessieg. Prüfungsstück dafür war ihre Trense. In der finalen Ausscheidung ging es dann nicht mehr nur um den Reitsport. Darin musste sie unter anderem einen Würfelbecher nähen.

Lisa Droese ist für die Ausbildung aus dem Raum Köln nach Vorst gezogen und will erst einmal bleiben. „Routine sammeln“, sagt sie. Auch die Weiterbildung zum Meister sei angedacht. Auch im Ausland zu leben und zu arbeiten sei eine Option, berichtet sie. Der Markt ist groß, Pferde gibt es überall. Bislang hat die 22-Jährige bei ihren Eltern eine Reitbeteiligung, aber bald schon soll ein eigenes Pferd kommen. Für das ist auch ihr Gesellenstück gedacht: die handgenähte Trense, die im Moment noch über ihrem Bett hängt.