Kempen Nabu fordert mehr Dachbegrünung
Bewachsene Dächer haben viele Vorteile. In Kempen wird das Thema nicht offensiv angegangen, kritisiert der Naturschutzbund. Ein Experte erklärt die Vorteile.
Kempen. Der Naturschutzbund (Nabu) in Kempen fordert, dass mehr Gebäude begrünte Dächer bekommen. „Was man der Natur unten wegnimmt, muss man ihr oben zurückgeben“, zitiert Hans Palm vom Nabu den Architekten und Künstler Friedrich Hundertwasser. Als Palm nachgefragt habe, ob die Stadt bei Neubauten mit gutem Beispiel vorangehen wolle, sei er „abgewimmelt“ worden.
„Das Problem ist, dass die Stadt diese Art der Begrünung vorschreiben könnte, es aber nicht tut“, so Palm. Gerade im Gewerbegebiet hätte so ein Ausgleich für die asphaltierten Flächen geschaffen werden können. „Auch bei ihren eigenen Neubauten könnte die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen, macht es aber nicht“, sagt Palm.
Stadtsprecher Christoph Dellmanns bestätigt, dass es in Kempen kein Gebiet gibt, in dem eine Dachbegrünung vorgeschrieben wird. Mitte der 90er Jahre habe man sich bereits bei der Planung des ersten Gewerbegebiets jenseits des Seldergrabens mit der Thematik beschäftigt. „Es sollte ein grünes Gewerbegebiet entstehen“. Der Bebauungsplan habe entsprechend umfangreiche Vorschriften zur Begrünung der Grundstücke enthalten. Auf eine Vorschrift zur Dachbegrünung sei aber verzichtet worden, „insbesondere wegen der damit verbundenen erhöhten Anforderungen an die Statik der Dächer und der entsprechend höheren Kosten.“
Eine Antwort, die Hans Palm vom Naturschutzbund so nicht stehen lassen will. Schließlich könnten Bauherren Geld einsparen, da die Stadt indirekt über die Abwassergebühr fördert. Grundlage bei der Gebühr für das sogenannte Niederschlagswasser ist hier die Quadratmeterzahl der überbauten Fläche. Pro Quadratmeter fallen in Kempen 0,75 Euro jährlich an. Wer sein Dach laut Satzung „nach den Regeln der Technik“ begrünt, kann 50 Prozent pro Quadratmeter einsparen.
Außerdem darf mehr Fläche bebaut werden: Wer zehn Quadratmeter Gründach hat, darf zehn Quadratmeter mehr Fläche seines Grundstücks bebauen. Andere Städte gehen weiter. Hamburg erstattet Privatpersonen beispielsweise 40 Prozent der Kosten für ein Gründach.
Ein Kempener Experte für Dachbegrünung ist Josef Langels. Sein Dachdeckerbetrieb H und L ist eines der Gebäude im Gewerbegebiet mit einem grünen Dach. Die Vorteile seien vielfältig. „Es bietet einen natürlichen Wasserrückhalt“, sagt Langels. Da das Wasser nicht ungebremst in den Kanal fließt, erlässt die Stadt auch einen Teil der Abwassergebühren. Weitere Vorteile laut dem Experten: „Im Sommer ist es nicht so warm und im Winter muss man nicht so viel Heizen.“
Außerdem biete es einen zusätzlichen Materialschutz für das Dach. „Die Lebensdauer wird um 50 Prozent erhöht“, so Langels. Auch bei Hagel biete es eine zusätzliche Schutzschicht. Zusätzlich werde die Staubverteilung minimiert. „Und man merkt es am Klima innerorts. Wenn die Dächer begrünt sind, heizen sie sich nicht so stark auf.“ Ein normales Dach könne im Sommer 80 Grad heiß werden. Mit Begrünung seien es gerade mal 20 Grad.
„Die Kosten für die Begrünung machen in etwa 15 bis 20 Prozent von den Kosten für das gesamte Dach aus“, sagt Langels. Für die Begrünung eines flachen Garagendaches könne im Durchschnitt mit 500 bis 600 Euro gerechnet werden. Aber auch schräge Dächer können begrünt werden. Dann werden spezielle Einsätze auf das Dach montiert, die das Granulat halten. Bepflanzt wird es mit Sedum-Sprossen, die sehr widerstandsfähig sind. Die Schicht, die auf einem Fließ aufgetragen wird, ist dann circa 8 Zentimeter dick. Pro Quadratmeter wird circa 100 Kilogramm Masse aufgetragen. „Die meisten Dächer halten das aus, es sollte aber vorher von einem Statiker geprüft werden“, sagt Langels. Je nachdem wie groß der Aufwand ist, brauche der Dachdecker in der Regel für ein durchschnittliches Einfamilienhaus eine Woche, um die Schicht aufzutragen. „Das Dach muss aber in einem guten Zustand sein“, sagt er. Der Aufwand mache sich über die Jahre bezahlt. Durch Einsparungen bei den Abwassergebühren, den Heizkosten und durch den Schutz des Daches. „Sie müssen das Dach nicht gießen. Nur einmal im Jahr muss Fremdwuchs entfernt werden“, erklärt Langels.
Einen bestimmten Grund, warum die Stadt Gründächer trotz vieler Vorteile nicht stärker fördert oder gar vorschreibt, kann Stadtsprecher Christoph De´llmanns auf Nachfrage nicht nennen. „In den Wohngebieten nehmen wir inzwischen eine Empfehlung zur Begrünung der Garagendächer in die Bebauungspläne auf“, teilt er schriftlich mit.