Sternfahrt im Kreis Viersen 400 Bauern protestieren friedlich

Kreis Viersen · Die heimischen Landwirte aus dem Kreis Viersen schlossen sich den bundesweiten Demonstrationen an. Teilweise wurde der Berufsverkehr durch die rund 400 Fahrzeuge beeinträchtigt.

Mit mehr als 400 Teilnehmern hatten selbst die Organisatoren der Sternfahrt nicht gerechnet.

Foto: Norbert Prümen

Es sind weit über 100 Traktoren, die mit blinkenden Rundumleuchten dicht hintereinander an der L372 zwischen Niederkrüchten-Heyen und Schwalmtal-Amern stehen. Hinzu kommen Zugmaschinen, Kleintransporter und Unimogs. Sie alle tragen zudem rot-weißes Flatterband – und viele Fahrzeuge sind mit Schildern versehen, die klare Botschaften tragen: „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“, „Steht der Lkw am Morgen, muss sich der Olaf selbst versorgen“, „Landwirte brauchen Zukunft“, „Niemand soll es vergessen, Bauern sorgen für das Essen“.

Den Landwirten sowie den Spediteuren, die sich am Montagmorgen zu einer Sternfahrt durch den Kreis Viersen und Krefeld eingefunden haben, geht es wie ihren unzähligen Kollegen, die an der bundesweiten Protestaktion teilnehmen, um eine klare Linie der Politik, die eine planungssichere Zukunft möglich macht. Auflagen, Einschränkungen und Vorschriften nähmen überhand, die deutsche Landwirtschaft verliere ihre Wettbewerbsfähigkeit, finden die Landwirte. Zwar will die Bundesregierung – anders als zunächst geplant – die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte nun doch nicht abschaffen, und die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nur schrittweise auslaufen, doch sind diese Aspekte aus Sicht der demonstrierenden Landwirte nur ein Teilaspekt ihrer sich verschlechternden Situation.

Höhere Kosten kommen beim Verbraucher als höhere Preise an

„Es sind nicht nur unsere Ziele, für die wir heute demonstrieren. Es ist Grundlegendes in vielen Bereichen. Die Politik versagt. Die Belange der Bevölkerung werden nicht wahrgenommen“, sagt der Dülkener Landwirt Markus Fitzen. „Wir sind ein großer Zweig, der zusammenhängt. Was die heimischen Landwirte produzieren, fahren wir“, sagt Oliver Scholz vom gleichnamigen Willicher Kühllogistikunternehmen. Im gleichen Atemzug verweist der Unternehmer auf die erhöhte Lkw-Maut und die gestiegene CO2-Steuer. All dies komme letztlich beim Verbraucher in Form von höheren Preisen an.

„Ohne euch haben wir kein Essen“, verkündet indes ein kleines Plakat, das am Rand der Landstraße hochgehalten wird: Die Vorschulkinder der Awo-Kita Hoferland haben sich mit ihren Erzieherinnen auf den Weg gemacht und stehen dort, wo die Landwirte ihre Demonstrationsfahrt starten. „Wir wollen uns solidarisch zeigen und die Aktion unterstützen. Wir kaufen die Lebensmittel für unser Mittagessen regional ein. Wir besuchen unsere heimischen Landwirte mit den Kindern, um ihnen zu zeigen, wo die Lebensmittel herkommen. Wir wollen unsere Landwirte und unser regionales Essen nicht verlieren“, sagt Daniela Das, die stellvertretende Kita-Leiterin.

Traktoren stehen wie ein Mahnmal an der Autobahn

Inzwischen ist es 9 Uhr, der Startschuss für die Sternfahrt. Hupend setzt sich der lange Konvoi, begleitet von der Kreispolizei Viersen, in Bewegung. Von Amern geht es über Dülken in Richtung Viersen. Immer wieder kommen weitere Traktoren hinzu. Wie ein Mahnmal stehen mehrere Traktoren an der Autobahnauffahrt Viersen-Bockert, wobei der Autobahnverkehr ungestört rollen kann, denn die Traktoren stehen auf den Flächen zwischen den Auf- und Abfahrten.

An den Reckenhöfen in Tönisvorst sind es indes die Landwirte aus dem östlichen Teil des Kreises Viersen, die auf den Wirtschaftswegen in einer kilometerlangen Reihe stehen und auf den Konvoi warten. Heinz Erkens von der gleichnamigen Bauernmetzgerei teilt Grillwürste im Brötchen zur Stärkung aus. „Ich bin selber Landwirt. Es geht nicht allein um die Rückvergütung beim Diesel. Es geht um sämtliche Kürzungen und Auflagen, die uns übergestülpt werden. Wir wollen uns gegen diese Willkür wehren, weil wir auch zukünftig gute und bezahlbare Lebensmittel in der Heimat produzieren wollen“, sagt Erkens.

Den Landwirten werde die Luft für die Zukunft genommen, fügt der Kempener Landwirt Stefan Küppers an. Das Aus für die heimische Landwirtschaft habe Folgen, an die heute noch keiner denke. „Wir brauchen Planungssicherheit für die Zukunft. Die ist nicht gegeben. Landwirte planen nicht für ein oder zwei Jahre, wenn sie einen neuen Stall bauen. Sie planen für zehn bis 20 Jahre. Doch wer heute baut, weiß nicht, ob er den Stall morgen noch betreiben darf. Den Landwirten wird vieles aufgebürdet“, sagt Andreas Siemes vom gleichnamigen Reiterhof. „Die ganzen Probleme betreffen auch uns Obstbauern“, sagt Jacqueline Huhndorf. Die Tönisvorster Apfelkönigin ist selbst Obstbäuerin. „Was hier passiert, betrifft alle“, schließt sich der Landwirt Christoph Dohrenbusch an.

Als der Zug die Kollegen aus dem Ostkreis abholt und etwas später auch Teilnehmer aus Krefeld dazu stoßen, sind es mehr als 400 Teilnehmer. „Die Resonanz ist fantastisch. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir erfahren zudem von Bürgern, die am Straßenrand stehen oder uns in Autos entgegenkommen, in Form von hochgereckten Daumen Zustimmung. Das macht Mut“, sagt Christian Königs, der federführend die Organisation der Sternfahrt innehat. Was ihn hingegen betrübt, sind Einzelaktionen einiger Kollegen, die mit ihren Traktoren durch langsames Fahren Hauptstraßen im Berufsverkehr blockieren. Das habe nicht zur Sternfahrt gehört, betont der Tönisvorster Landwirt.