Kempen Was tun gegen die massive Fremdenfeindlichkeit?

Im Internet, in der Altstadt-Kneipe oder beim Einkaufen im Supermarkt — das Unbehagen gegenüber Flüchtlingen wächst. Eine Lösungssuche mit Politikwissenschaftler Klaus-Peter Hufer.

Kempen. Folgende Sätze haben viele im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sicher schon gehört oder gelesen. „Die haben alle ein Handy. So arm können die also gar nicht sein.“ „Ich als Frau traue mich nicht mehr alleine auf die Straße.“ Oder: „Morgen wird sogar die Turnhalle der St. Huberter Grundschule für Flüchtlinge genutzt. Meine Toleranz ist absolut überschritten.“

Dass die letzte Behauptung neben den ersten beiden Stammtischparolen überhaupt nicht stimmt, spielt im sozialen Netzwerk Facebook gar keine Rolle. In der Gruppe „Du bist St. Huberter, wenn Du. . .“ entwickelt sich zügig eine hitzige Diskussion. Einige Mitglieder posten eifrig ihre Ressentiments gegenüber Asylsuchenden. Das geht nicht immer fehlerlos über die Bühne: „Guten morgen schon ist das noch mal noch nach 6 Monate kann die Halle nicht mehr geht brauchen dann kann Mann die abreißen sehe dir mal bielder an wo die nach deutschland kommen wie unsere Zuge aus sehen das ist nicht nommal.“ Offenbar drückt diese Stellungnahme die Sorge aus, dass eine Turnhalle nicht mehr für den Sport benutzt werden kann, wenn zuvor Flüchtlinge darin gelebt haben.

Damit nicht genug: In weiteren Diskussionen der St. Huberter und auch anderer Gruppen geht der Rassismus weiter. Da werden Asylbewerber schon mal schnell zu „Eselstreibern“. Ach ja, und die „unsinnigen Stolpersteine“ (zum Gedenken an Holocaust-Opfer, Anm, der Red.) braucht Kempen auch nicht. Und die Medien verschleiern sowieso alles: „Lügenpresse!“

Der Kempener Politikwissenschaftler Klaus-Peter Hufer verzeichnet eine Zunahme solcher rassistischer Aussagen: im Internet, beim Einkaufen im Supermarkt, im Café, in der Altstadt-Kneipe. „Das Thema ist bei den Menschen unglaublich präsent“, sagt Hufer. Gerade im Internet hätten viele keine Hemmungen. „Da laufen keine Face-to-Face-Debatten. Dort fällt es so manchem leichter, eine massive Fremdenfeindlichkeit an den Tag zu legen.“ Diese Ressentiments entstünden nicht in rechten Lagern, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Mit den täglich steigenden Flüchtlingszahlen und jeder weiteren für den Sport gesperrten Turnhalle wachsen nach Ansicht Hufers „das Unbehagen und die Angst gegenüber dem Fremden“. „Wir hatten über mehrere Wochen eine euphorisierte Willkommensatmosphäre, die jetzt allmählich abebbt“, sagt der Professor. Diese Gefühle der Menschen dürften die Verantwortlichen nicht wegdiskutieren.

Doch was kann man tun, um den Leuten die Ängste zu nehmen? Um Rassisten und Populisten keine Chance zu geben? „Damit man den Menschen die Berührungsangst nehmen kann, muss man Berührung herstellen“, sagt Klaus-Peter Hufer. Der Umgang mit Flüchtlingen im eigenen Alltag müsse Normalität werden — zum Beispiel im Vereinsleben. „Sportvereine können da eine große Rolle spielen“, meint der Politikwissenschaftler. „Gerade die jungen Männer, die zu uns kommen, brauchen Bestätigung.“

Den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung legt Hufer nahe, offen und ehrlich zu sein. „Die Handelnden müssen offen damit umgehen, dass unsere Gesellschaft vor einer Herausforderung steht, die es so noch nicht gab“, sagt Hufer. Zudem kämen nicht nur junge Familien und Akademiker nach Deutschland. „Auch das sollte offen angesprochen werden.“

Auf lokaler Ebene rät der Wissenschaftler den Verantwortlichen, die Bevölkerung frühzeitig zu informieren und „gleich mit ins Boot zu holen“, wenn beispielsweise eine weitere Turnhalle als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden muss. „Gerade im Zusammenhang mit der Notunterkunft am Berufskolleg haben das die Stadt Kempen und der Kreis Viersen bislang hervorragend gelöst“, so Hufer. So würden Bürgerversammlungen und die Internetseite kempenhilft.de „Transparenz schaffen“.

Aus Sicht von Klaus-Peter Hufer darf man neben den Hetzparolen und Ressentiments nicht vergessen, dass es eine „unglaubliche Hilfsbereitschaft“ in der Bevölkerung gibt. „Auch das erlebe ich täglich“, sagt Hufer, der in der Kempener Altstadt wohnt. „Was die zahlreichen Ehrenamtler leisten; und was die Bürger an Spenden zusammenbekommen, ist phänomenal.“