Kempen Wattwürmer und ein Berg von Büstenhaltern
Tausende Besucher kamen wieder zum Hubertusmarkt in der historischen Altstadt von Kempen.
Kempen. Dem Mann sitzt die Schalke-Kappe so locker auf dem Kopf wie der Schalk auf den Lippen: „Ahh, da kommt ja meine Schwiegermutter aus achter Ehe“, begrüßt Thomas Meyer lautstark die ältere Dame, die sich zögernd seinem Stand auf der Engerstraße nähert. Schon greift er in Richtung ihrer Füße: Die Lederschuhe können doch sicher eine kleine Auffrischung gebrauchen? Carnaubawachs heißt das pflanzliches Zaubermittel aus Südamerika, das er blitzschnell mit einem Schwamm verteilt. „Das Leder wird geschmeidig und wasserdicht“, plaudert der Händler munter weiter — und schiebt gleich noch hinterher, dass man mit dem Zeug auch Marmor, Parkett und Laminatböden pflegen könne. Die Dame bleibt skeptisch: „Ich habe noch nie von diesem Wachs gehört, obwohl ich gerne Schuhe putze“, sagt sie spitz.
Thomas Meyer ist einer von rund 220 Händlern, die ihren Stand auf dem traditionsreichen Hubertusmarkt aufgebaut haben. Das Wetter ist prächtig: Trocken, nicht zu kalt — da müssten die Geschäfte doch eigentlich gut laufen. „Ich bin zufrieden. Aber es ist weniger geworden“, sagt Günther Petri dazu. Seit 46 Jahren kommt der 73-Jährige nach eigenen Angaben zu den Krammärkten nach Kempen — auf dem Buttermarkt verkauft er Büstenhalter, Corsagen und Co. „aus eigener Herstellung“, wie er betont. Die weißen und fleischfarbene Wäschestücke sind zu Bergen aufgeschichtet — eine Gruppe älterer Damen sieht so aus, als ob sie an einer Besteigung interessiert wäre.
Die Farbe Rosa dominiert die Kleidung einer Kundin, die vor dem Klosterhof zu „Wattwürmern“ greift. „Naturgereifte Wurstware, frisch aus dem Raum“, wirbt Verkäufer Ingo Rosenbrock für seine Spezialität aus Norddeutschland.
„Das blaue Wunder“ macht Kaffeepause: Der fliegende Händler mit dem Reinigungsmittel dieses Namens verabschiedet sich gerade auf der Ellenstraße via Lautsprecherdurchsage von der Kundschaft. Die ist aber dünn gesät und trägt es mit Fassung. Auf dem Studentenacker bietet „Willi“ Förmchen an: Ob für Hochzeiten oder Feiertage — glänzende Backformen für jede Gelegenheit hängen hier in Hülle und Fülle.
An der Ecke Enger-/Umstraße locken die Frühlingsboten: In großen Körben werden Knollen von Osterglocken, Amaryllis und Hyazinthen angeboten. Mehr auf den Winter setzt dagegen Elmar Vill aus Horstmar bei Münster: Der Gerber hat den klassischen Muff für warme Hände an kalten Tagen mit auf den Buttermarkt gebracht. „Den können Sie auch zum Sitzkissen umfunktionieren“, erzählt er und zeigt auf den eingearbeiteten Reißverschluss. Auch die Fahrrad-Satteldecke aus Schafwolle gibt es bei ihm aus eigener Herstellung — damit die Haut am Gesäß schön trocken bleibt. „Meinen Stand an dieser Stelle habe ich schon seit Jahren“, berichtet er.