Wie steht es um den Jugendfußball?

Die WM steht vor der Tür und die WZ hat bei den Sportvereinen nachgehorcht. Diese haben oft damit zu kämpfen, dass die Jungen und Mädchen immer weniger Zeit haben.

Foto: Kurt Lübke

Kreis Viersen. Fällt im Zusammenhang mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Jahreszahl 2002, hat man in der Regel zunächst einmal die Szenerie um Ronaldo und Oliver Kahn im Kopf — Deutschland verliert das Finale der Weltmeisterschaft mit 0:2 gegen Brasilien. Das aus heutiger Sicht jedoch wichtigere Ereignis im Jahr 2002 war die Verabschiedung des neuen Förderkonzepts für den Nachwuchsbereich. Sicherlich ein guter Schritt aus Sicht der Profivereine, doch wie sieht es bei lokalen Amateurvereinen aus? Rund 16 Jahre nach der WM in Japan und Südkorea und wenige Monate vor der WM in Russland hat sich die WZ bei Vereinen in der Region umgehört.

Bei vielen Klubs stehen Bildung und Sport heutzutage oft im Konflikt. „Durch die verlängerten Schulzeiten ist ein Training vor 16.30 oder 17 Uhr nicht mehr möglich“, berichtet Thomas Müller, Jugendleiter des SV St. Tönis. Hans Gillessen hat bei Niersia Neersen die gleiche Funktion und geht sogar einen Schritt weiter: Die Offene Ganztagsschule (OGS) bedeute keine Reduzierung der Hausaufgaben. „Denn wenn die Kinder aus der Schule kommen, müssen sie häufig doch noch etwas tun“, so Gillessen.

Eine Reaktion darauf seitens des Westdeutschen Fußballverbands (WFV) und des Fußballverbands Niederrhein (FVN) gab es bereits: Als frühester Beginn bei Spielen unter der Woche wurde 18 Uhr festgelegt. Ein wirkliches Gegensteuern sieht nach Ansicht einiger Vereinsvertreter jedoch anders aus.

Dies könne eigentlich nur von Seiten der Politik kommen, findet Stephan Kroh, Jugendgeschäftsführer des SC Viktoria Anrath. Er sieht ein weiteres Problem darin, dass Jugendliche heute immer jünger auch schon mit Alkohol und leichten Drogen in Kontakt geraten, weshalb es umso wichtiger sei „die Kinder durch ein Sportprogramm von der Straße zu holen und in eine Gemeinschaft zu integrieren“.

Zurück zum „Schul-Problem“: Michael Beenen, 2. Vorsitzender des SV Thomasstadt Kempen, würde es nicht allzu hoch hängen und ist der Meinung, dass jeder Schüler in der Lage sein sollte, seinen schulischen Verpflichtungen nachzukommen, bis das Training beginnt. Beenen sieht das Problem hingegen eher beim erweiterten Freizeitangebot für Kinder, was dazu führe, dass es immer schwieriger sei, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen.

Dennoch spielen die Schulen, aber auch schon die Kindergärten, in der Nachwuchsförderung eine zentrale Rolle. Daher sieht Hans Gillessen einen Lösungsansatz in einer engeren Kommunikation mit diesen Einrichtungen. Zustimmung erhält er dabei unter anderem vom Jugendgeschäftsführer des VfL Willich, Willi Maas. Seiner Meinung nach muss man versuchen, mit den Schulen zu kooperieren, wenn am Nachmittag noch Schulsport auf dem Stundenplan steht. Da diese Zeit auch zugunsten der Sportvereine genutzt werden könne.

In diesem Jahr können sich die Vereine vermutlich wieder über mehr Zulauf, gerade im Bereich der jüngeren Jahrgänge freuen. Welt- und Europameisterschaften entfachen nämlich alle zwei Jahre für gewöhnlich einen „Fußball-Hype“, wie Bernd Lommetz, Vorsitzender des SSV Grefrath, zu berichten weiß. Sein Verein sei momentan gut aufgestellt, doch Lommetz weiß auch: „Jugendarbeit ist immer eine Momentaufnahme.“

Weniger rosig sieht es beispielsweise beim TuS St. Hubert aus. Dort sorgt man sich zurzeit nicht nur um das Projekt Kunstrasenplatz (die WZ berichtete), sondern auch um die eigene Jugendabteilung. Lediglich 30 Jugendliche spielen laut Vorstand derzeit beim TuS. Weitere Kinder und Jugendliche bilden eine Spielgemeinschaft mit dem VfL Tönisberg. Das mache immerhin die Anmeldung zum Spielbetrieb für sieben Mannschaften möglich.

Spielgemeinschaften sind ein Lösungsansatz, der in den letzten Jahren vermehrt genutzt wurde (siehe Infokasten). Aber damit ist es nicht getan. Deshalb, so Geschäftsführer Volker Müllers jun., gibt es beim TuS nun eine Gruppe zur Erstellung von Konzepten zur Problemlösung. Als Vorbild könnte da der Partnerverein aus Tönisberg dienen. Auch dort hatte man bis vor dreieinhalb Jahren große Probleme, wie Jugendleiter Holger Kox erklärt: „Wir haben uns stärker auf die Senioren konzentriert. Durch unser Konzept haben wir mehr Eltern und Jugendspieler als Trainer bzw. Betreuer im Verein integrieren können.“ Und das Konzept trägt laut VfL Früchte: Die Mitgliederzahlen haben sich etwa verdoppelt, die Anzahl der Trainer sogar verdreifacht.

Die Position der Trainer bereitet in einigen Vereinen häufig größere Probleme. „Es ist ein Trend festzustellen, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit immer weniger geliebt wird“, analysiert Kroh die Situation. Aus diesem Grund wünscht er sich von den Verbänden finanzielle Unterstützung, um beispielsweise Studenten anwerben zu können.