Munition für den Ersten Weltkrieg Als Nettetal zur Rüstungsschmiede wurde

Nettetal-Hinsbeck · Ende Juli vor 110 Jahren begann der „Große Krieg“, der Deutschland bis in die entferntesten Winkel veränderte. Das zeigt zum Beispiel die damalige Fabrik für Granatenhülsen in Hinsbeck.

Es waren zwei Schüsse, die die Welt veränderten: Beim Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914 wurde Erzherzog Franz Ferdinand, Thronfolger von Österreich-Ungarn ermordet. In den Wochen darauf entwickelte sich daraus eine Krise im europäischen Staatensystem, die in den Ersten Weltkrieg mündete. Ein weltgeschichtliches Ereignis, das auch im kleinen Hinsbeck Auswirkungen hatte. Zwei Beispiele: Die Maschinenfabrik Heyer (neben dem Haus Ensen; damals Hochstraße 20, heute Schloßstraße 20) wurde in eine Granatenhülsendreherei verwandelt und die Stammenmühle als Frühwarn- und Aussichtsturm genutzt.

Auf der damaligen Hochstraße 20 befand sich um 1800 der „Leyendeckers Hof“, der nach dem Tod des Besitzers Franz Kohlen 1856 geteilt wurde. Das Wohnhaus übernahm Peter Heinrich Holthausen, der hier 1862 eine Schankwirtschaft einrichtete. Die Hofanlage, ein einstöckiger, lang gezogener heller Gebäudekomplex, übernahm der ledige Schmied Peter Heinrich Bist, der neben der Landwirtschaft eine Schmiede eröffnete. Ein Schmied war zu dieser Zeit nicht nur für das Grobe zuständig, er arbeitete in verschiedener Art mit Metall, stellte etwa Landmaschinen und Uhrwerke für Standuhren her.

Als Peter Bist 1892 starb, übernahm sein Schwiegersohn Hermann Heyer die Schmiede. Er machte aus der Schmiede eine gut gehende Maschinenfabrik, die vielen Hinsbeckern Arbeit verschaffte. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war die Herstellung und Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen wie Kartoffelroder, Heuwender oder Mähbalken.

Die männliche Besatzung der Granatengeschossdreherei Heyer & Pelzer 1914.

Foto: VVV Hinsbeck/Repro: Heinz Koch

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Meyer zur Herstellung von Granatenhülsen für die Wehrmacht verpflichtet. Als während des Krieges die privaten Aufträge zurückgingen, half die Herstellung von Granatenhülsen, die Firma zu erhalten. Hierzu hatte er bis zu 25 Personen, Männer und Frauen, beschäftigt. Nach dem Ersten Weltkrieg musste Hermann Heyer auf Druck der belgischen Besatzung die Leitung der Maschinenfabrik abgeben, die sein Sohn Heinrich Heyer übernahm.

Gleichzeitig wurde die Maschinenfabrik wieder in eine Schlosserei umgewandelt. Da Heinrich Heyer kinderlos blieb, vermachte er die Schlosserei seinem Neffen Peter Heyer. Dieser wechselte 1963 als Wasserwerkwart zur Gemeinde Hinsbeck, wo er bis zur Rente blieb. Die Schlosserei wurde nur noch im Nebengewerbe genutzt.

Anfang der 1980-er Jahre begannen Planungen zur Anlegung einer Ortsumgehung um Hinsbeck, um den Verkehr nach Kaldenkirchen/Leuth aus dem Ortskern herauszunehmen. Die geplante Trasse führte über das Grundstück der Schlosserei. Daher wurde diese, Anfang der 1980-er Jahre, verkauft und abgebrochen. Peter Heyer zog mit seiner Familie in die frühere Kaplanei (Schloßstraße 15). Heute erinnert nichts mehr an diese Maschinenfabrik.

Während des Krieges wurde die Stammenmühle in Hinsbeck-Büschen als Frühwarn- und Aussichtsturm verwendet. Sie liegt am höchsten Punkt zwischen Düsseldorf und London. In ihr waren während des gesamten Ersten Weltkriegs Soldaten stationiert, die hier ihren Dienst taten. Es muss ein ruhiger Dienst gewesen sein, denn es ist keine einzige Meldung über feindliche Bewegungen in dieser Zeit in unserem Bereich bekannt. Erst im Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle stark beschädigt. Sie konnte jedoch restauriert werden.