Sozialwohnungen: Anzahl sinkt, aber Bedarf steigt

Eine aktuelle Studie prognostiziert eine besorgniserregende Lücke für den sozialen Wohnungsbau. Die Stadt Viersen will so schnell wie möglich reagieren.

Viersen. Die Rechnung ist so einfach wie besorgniserregend: Die Zahl der Menschen im Kreis Viersen, die auf sozialen Wohnraum angewiesen sind, steigt stetig — der verfügbare Platz aber wird immer kleiner. Die Folge: Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage an geförderten Wohneinheiten wird immer größer.

Eine Prognose der NRW.Bank zeichnet die Entwicklung vor, die der soziale Wohnungsmarkt im Kreis bis 2025 voraussichtlich nehmen wird. Im Vergleich zu 2014 wird es demnach im Kreis Viersen in sieben Jahren 1438 Wohneinheiten weniger geben. Allein um diesen Rückgang aufzufangen, müssten jährlich 131 neue Wohnungen entstehen. Diese Zahl aber würde lediglich den Wegfall aktuell noch bestehender Wohnungen kompensieren, nicht aber dem gleichzeitig steigenden Bedarf an Wohnraum — etwa durch neu hinzukommende Sozialhilfeempfänger — entgegentreten. Auf Anfrage der Stadt Viersen bei der NRW.Bank gibt diese an, das Defizit an sozialem Wohnraum im Kreis liege unter diesen Umständen sogar bei 1300 Einheiten pro Jahr — Flüchtlingszuwanderung mit eingerechnet.

Für den Ersten Beigeordneten der Stadt Viersen, Paul Schrömbges, ist es höchste Zeit zu handeln. „Das Thema muss auf die politische Tagesordnung. Wir müssen dringend Lösungen finden“, sagte er. Am morgigen Donnerstag (18 Uhr, Sitzungssaal im Forum, Rathausmarkt 2) sollen die Entwicklung und die Probleme, die auf die Kreisstädte zukommen, im Aussschuss für Gesundheit und Soziales diskutiert werden.

Dass der Bedarf an gefördertem Wohnraum in den kommenden Jahren steigen wird, liegt an mehreren Faktoren. So werden laut Schrömbges beispielsweise immer wieder Frauen sozialhilfebedürftig, die gar nicht oder zumindest nicht voll erwerbstätig waren. „Wenn dann ihr Mann stirbt, fällt ein Teil Rente weg und sie rutschen in die Armut ab“, sagt der Erste Beigeordnete. Hinzu kommt eine gewisse Zahl von Flüchtlingen, die dauerhaft in Deutschland bleiben darf, jedoch zunächst einmal Arbeitslosengeld bezieht und sich ohne Förderung keine Wohnung leisten kann.

Paul Schrömbges, Erster Beigeordneter Stadt Viersen

Begleitet wird diese Entwicklung von der sinkenden Zahl der geförderten Wohneinheiten: An vielen Stellen läuft die Förderung aus, manchmal werden die Wohnungen auch aus der Förderung genommen, weil die Bewohner nach einer gewissen Zeit auch ohne Unterstützung auskommen.

Damit Bedarf und Angebot nicht immer weiter auseinanderklaffen, braucht es in erster Linie eines — neuen Wohnraum. „Das Programm der Viersener Aktien Baugesellschaft etwa wirkt dem Problem entgegen“, sagt Paul Schrömbes. Von den 115 geförderten Wohneinheiten, die 2016 bewilligt wurden, erstellt die Baugesellschaft 96. Die 115 Einheiten, die derzeit entstehen oder bald gebaut werden sollen, werden mit 11,4 Millionen Euro gefördert. Einige Förderungen aber stünden wegen einer veränderten Berechnungsgrundlage der Nebenkosten derzeit wieder auf dem Prüfstand, sagt VAB-Chef Albert Becker. Er stellt jedoch auch klar: „Wir sehen uns in der Verantwortung, der Entwicklung entgegenzutreten.“

Allein durch gemeinnützige Bauträger aber ist der steigende Bedarf an günstigem Wohnraum kaum abzudecken. Investoren für weitere Bauprojekte zu finden, ist jedoch ein schwieriges Unterfangen, erklärt Paul Schrömbges. Deshalb warnt er in der Sitzungsvorlage: „Trotz aller Bemühungen wird die Anzahl der für die Stadt Viersen notwendigen Neubau-Wohneinheiten nicht zu erreichen sein.“