Wald-Projekt in Viersen Erst fällen, dann wachsen lassen

Viersen · Am Bockerter Busch rotieren die Sägen, Bäume werden zur Erde gezogen. Das sind keine üblichen Fällungen, die Fachleute dort zurzeit mit Maschinen und auch Handsägen ausführen. Was dahinter steckt.

In der Bockerter Heide werden zurzeit Bäume gefällt. Nicht einfach so, denn dahinter steckt ein spezielles Projekt, um Holz zu nutzen.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Die Geräusche von kreisenden Sägeblättern und das Krachen eines zur Erde gezogenen Baumes sind schon von Weitem zu hören. Ein rund 18 Tonnen schwerer Harvester, eine spezielle Holzerntemaschine, arbeitet. Entlang des Weges Bockerter Busch, nahe der Autobahn, werden Buchen gefällt.

Das sind keine normalen Fällungen. In einem Bereich von rund 50 Meter Länge und 25 Meter Breite soll wieder ein Niederwald entstehen - einst typisch für die Landschaft am Niederrhein. Diese Art der Waldbewirtschaftung wurde über viele Jahrhunderte ausgeübt. Der Wald war in Parzellen unterteilt, in denen Landwirte Brennholz schlugen.

„Dabei wurden bestimmte Baumarten, darunter auch die Buche, wenn sie einen Stammdurchmesser von 20 bis 25 Zentimeter erreicht hatten, auf Höhen zwischen 1,40 Meter und 70 Zentimeter zurückgeschnitten“, erklärt Viersens Stadtförster Richard Schulze Frenking. Dieses Holz sei als Brennmaterial verwendet worden. „Der Baum schlug wieder aus und lieferte neues Holz, das in zehn bis 15 Jahren wieder geschnitten und genutzt werden konnte“, so der Förster weiter.

Und genau das geschieht jetzt erneut. Statt mit einer Handsäge aber mit moderner Technik. Gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde vom Kreis Viersen hat die Stadt Viersen die Fläche in der Bockerter Heide ausgesucht, wo früher Niederwaldwirtschaft betrieben wurde.

„Die hier stehenden Buchen entsprechen vom Umfang her den Bäumen, wie sie früher geerntet wurden. Daher legen wir genau hier einen Niederwald an“, sagt Schulze Frenking. Durch die Eigenschaft der Buche, auf den Rückschnitt mit einem starken Austrieb zu reagieren, bildet die sogenannte Scheitelbuche neue Zweige und Äste. Sie sorgt damit nicht nur für neues Holz.

Die Stämme werden zur
Heimat verschiedener Tiere

Sie liefert auch Lebensraum. Bei diesem Überwallprozess entstehen Risse, Nischen und Höhlen. So finden Tiere wie der Waldkauz oder der Buntspecht in den Höhlen im Baumstamm Unterschlupf und brüten dort. Auch die Nischen zwischen Stamm und abgelöster Rinde sind geeignete Verstecke, etwa für Mäuse oder Siebenschläfer. Faule und morsche Stellen im Holz nutzen Schnecken und Käfer. Diese Insekten ziehen wiederum weitere Vögel an, da sie ihnen als Nahrungsgrundlage dienen. Im Niederwald dringt das Licht zudem stärker bis in die Krautschicht durch. Naturschützer unterscheiden zwischen Niederwäldern und Hochwald anhand der höheren Biodiversität.

„Mit der partiellen Wiederaufnahme der historischen Nutzungsform der Scheitelung leisten wir einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Viersener Natur- und Kulturlandschaft sowie zur Ökologie“, erklärt der Stadtförster. Was jetzt wie ein wilder Kahlschlag der rund 15 Meter hohen Buchen aussieht, muss sich allerdings erst entwickeln. In zwei bis drei Jahren sehe das schon anders aus, sagt der Fachmann.

Inzwischen ist der Harvester, den Terence Theves, Forstwirt vom Schwalmtaler Forst- und Landwirtschaftsservice Boers, fährt, auf seiner markierten Rückegasse weiter vorwärts. Theves fährt den Arm aus. Daran befindet sich nicht nur der Sägekopf, sondern auch Greifarme und -walzen.

An der vorab vom Stadtförster markierten Stelle an der Buche setzt er an. Greifarme und –walzen umschließen den Baum, das Sägeblatt rotiert. Sekunden später schneidet Theves. Doch der Stamm fällt nicht.

Vielmehr legt Theves ihn mithilfe der Maschine in die vorgegebene Richtung ab, befreit den Stamm mit Hilfe vom Kopf des Harvesters von den Ästen und kürzt die Stücke auf drei Meter. Die Nacharbeiten erledigt derweil Voicu Ceolocu, ebenfalls Mitarbeiter von Baers, mit der Motorsäge.

„Das Stammholz wird später als Brennholz herausgeholt. Die Kronen bleiben auf dem Waldboden liegen“, informiert Schulze Frenking. Beim so gewonnenen Brennholz schätzt Firmeninhaber Andreas Boers, dass „es rund 80 bis 100 Raummeter werden“.