Schlesiersiedlung in Anrath „Wenn Not am Mann ist, wird geholfen“

Anrath. · Die Gemeinschaft Schlesierstraße, Königsberger Straße und Engerweg in Anrath steht immer zusammen – jetzt ganz besonders.

Hanne Loos und Birger Vogt bringen ihrem Nachbarn Franz Rhode die Einkäufe nach Hause.

Foto: Wolfgang Kaiser

Bei seinem letzten Einkauf ist Birger Vogt von der Kassiererin etwas schief angeschaut worden. „Sie dachte bestimmt, ich würde einen Hamstereinkauf machen, weil der Einkaufswagen so voll war“, sagt der Anrather. Das war aber nicht der Grund für den großen Einkauf. Vielmehr lag es an den vielen Einkaufszetteln der Nachbarn, die Vogt dabei hatte. Er kaufte nicht nur für seine eigene Familie ein, sondern auch für Menschen in der Nachbarschaft.

In der Siedlungsgemeinschaft Schlesierstraße, Königsberger Straße und Engerweg ist aufgrund der Corona-Pandemie eine Hilfsgemeinschaft entstanden, die Senioren und Menschen mit einer gesundheitlichen Einschränkung unterstützt. „Da gerade diese Personengruppe unnötige soziale Kontakte vermeiden sollte, gehen wir einkaufen, machen Besorgungen, gehen zur Apotheke oder fahren jemanden zum Arzt, da zum einen der Bürgerbus nicht fährt, aber Senioren und Personen mit Vorerkrankungen auch Fahrten mit dem Öffentlichen Nahverkehr meiden sollen“, sagt Vogt. Die Hilfe werde gut angenommen. Sammeleinkäufe fanden schon genauso statt wie Fahrten zum Arzt. Zudem konnte mit Online-Banking geholfen werden. Vogt, der auch der Vorsitzende der Gemeinschaft ist, agierte dabei ganz unbürokratisch. Er nutzte sein eigenes Konto samt Online-Banking, um dem Senior zu helfen, der sonst eine Überweisung bei der Bank hätte abgeben müssen. Damit entfiel der Weg zum Geldinstitut.

Die Idee zu dem Ganzen hatte Anwohnerin Hanne Loos. Sie brachte den Vorschlag in den zehnköpfigen Vorstand der Siedlungsgemeinschaft ein und rannte damit offene Türen ein. Der Zusammenhalt innerhalb der Siedlungsgemeinschaft Schlesierstraße, Königsberger Straße und Engerweg ist immer schon gut gewesen. „Man kennt sich und hilft sich eigentlich immer gegenseitig. Ob arbeitstechnisch oder mal mit Gerätschaften. Wenn Not am Mann ist, wird geholfen“, sagt der 43-Jährige.

Im Falle der aktuellen Corona-Situation ist es so, dass man den besonders gefährdeten Personengruppen helfen möchte. Die ältesten Nachbarn seien über 90 Jahre alt und damit besonders gefährdet. Man wolle die Nachbarn schützen und ihnen einfach unter die Arme greifen, sagt Vogt. Einmal in der Woche wird der Sammeleinkauf angeboten, und wer Dringendes zu erledigen hat, kann sich einfach melden, damit der entsprechende Botengang erledigt wird. Enge Kontakte gibt es dabei nicht. Die Einkäufe werden vor die Tür gestellt und nicht ins Haus getragen, um die Angebotsnutzer zu schützen.

Die Gemeinschaft geht dabei proaktiv auf die Menschen zu. Das Angebot mit direkten Ansprechpartnern und deren Telefonnummern wurde in der Nachbarschaft per E-Mail kommuniziert, mündlich weitergetragen und jetzt sogar als Postwurfsendung verteilt, damit wirklich jeder an den drei Straßenzügen darüber informiert ist. Die Gemeinschaft hat nun beschlossen, auch noch den Grünen Weg in ihr Hilfsangebot aufzunehmen, der unmittelbar an die drei Straßen grenzt. Man will sich nicht nur auf die Mitglieder der Gemeinschaft beschränken. „Wir können unser Angebot nicht auf ganz Anrath ausdehnen, das schaffen wir nicht. Aber wir können andere Menschen anregen, ebenfalls solche Angebote in der Nachbarschaft ins Leben zu rufen und damit Risikogruppen zu helfen“, betont Vogt. Jeder könne seinen Nachbarn kontaktieren und fragen, ob er Hilfe braucht, und auch Aufklärungsarbeit leisten. Vogt ist nämlich aufgefallen, dass etliche die Gefahr gar nicht einzuschätzen wissen und sich daher nicht angepasst verhalten. Die Siedlungsgemeinschaft hilft indes nicht nur, sondern gibt mit ihrem Einsatz den Anwohnern zudem ein gutes Gefühl und Sicherheit.