Die Gründer waren Nachteulen
Der Männergesangverein Liederkranz wird 150 Jahre alt. Ein Blick in die Geschichte.
Willich. „Frei weg hieß früher unser Schützenzug, wir haben immer viel gesungen, so bin ich dann zum Liederkranz gekommen“, sagt Jürgen Stuppan. Das war 1959, damals war er 21 Jahre alt. Sieben Jahre später wurde Jürgen Stuppan zum Geschäftsführer des Männergesangsvereines, im Februar 1992 zum 1. Vorsitzenden.
Der 76-Jährige, der immer noch Chef ist und den zweiten Bass singt, ist nach wie vor das „Mädchen für alles“. Er hat gerade mit tatkräftiger Unterstützung seines Sohnes Andre (33) eine umfassende Chronik erstellt. Auf exakt hundert Seiten wird darin die wechselvolle Geschichte des Gesangvereines dargestellt. Denn „Liederkranz“ kann jetzt auf sein 150-jähriges Bestehen zurückblicken.
Alles begann im Jahre 1864, als größtenteils Weber im damaligen Gasthaus „Zur Post“ ihren Stammtisch hatten. Und zu später Stunde wurde in der Gaststätte auf dem Marktplatz, die 1945 durch eine Bombe völlig zerstört wurde, kräftig gesungen.
Johann Hüsges, Johann Winnen, Jakob Erbracht, Johann Langels, Jakob Jörgens, Karl Derichs, Wilhelm Esser, Johann Broich und Gustav Spicker hießen die Gründungsmitglieder, die sich den Namen Liederkranz gaben, aber wenig später im Volksmund auch als „Naitslämke“ bekannt waren. Naitslämke heißt ins Hochdeutsch übersetzt „Nachtlämpchen“ — steht wohl dafür, dass es gerade am späteren Abend sehr gemütlich und gesellig zuging und die Sänger oft die letzten waren, die in dem Gasthaus das Licht ausmachten.
In einer Zeit, in der die Kirche immer mehr an Einfluss verlor, wollte sich auch der neue Chor offener und moderner präsentieren. Schnell stand der Wahlspruch fest: „Treu in der Arbeit, fest im Gesang. So wollen wir‘s halten, das ganze Leben lang.“
Der erste musikalische Leiter hieß Carl Stein, bis zum heutigen Tage hatten über 25 Chor- oder Musikdirektoren den Dirigentenstab bei Liederkranz in der Hand. Seit Dezember 2006 ist dies sogar ein richtiger Fürst: Komponist, Kapellmeister und Chordirektor Juri Dadiani aus Georgien.
Trotz der Kriege und des Neuanfangs danach wurde Liederkranz immer mehr zu einem kulturellen Markenzeichen in der früheren Gemeinde Willich. Stets war dem Chor auch ein großes Anliegen, den Kranken und Älteren durch ihren Gesang etwas Abwechslung zu geben. So wurden im Krankenhaus oder in Altenheimen nicht nur gesungen: Es wurde Theater gespielt oder so richtig Karneval gefeiert.
Auf Initiative von Liederkranz zog 1967 der erste Karnevalszug durch Alt-Willich. Schon 1954 hatte sich ein Schützenzug mit dem Chornamen gegründet. Die erste Vereinsfahne aus dem Jahr 1865 gibt es immer noch. Und Liederkranz machte den Namen von Willich durch zahlreiche Sängerwettstreite und Leistungssingen immer mehr bekannt.
Bis zur Schließung des Stahlwerks Becker im Juli 1932 waren dort viele Sänger beschäftigt. Damals gab es in der Gemeinde zahlreiche Chöre, sogar ein Doppel-Quartett der Stahlkocher oder den Quartettverein Beethoven.
68 Jahre lange Jahre hatte der Chor in der Gaststätte Grootens sein Vereins- und Probelokal. Dann ging es in die Gaststätte Schiffer. Und auch hier gibt es eine nette Geschichte: Als 1920 der Schiffer-Wirt anlässlich eines Sommerfestes nur Wein ausschenken wollte, boykottierten auch andere Willicher Gesangsvereine die Gaststätte, mussten die Chöre sogar 200 Reichsmark an Strafe zahlen, wenn sie dort einkehren. Schnell nahm der Schiffer-Wirt den Weinzwang wieder zurück.
In der Blütezeit sangen bis zu 40 Sänger bei Liederkranz, derzeit sind es nur noch 16. Der Altersdurchschnitt liegt bei rund 71 Jahren. Entsprechend sucht der Verein seit langem Nachwuchs. Er hat sich auch bei großen Konzerten oder Operetten mit anderen Chören zusammengeschlossen. So mit dem Thyssen Krupp Nirosta Chor aus Krefeld, MGV Cäcilia Fischeln, Stadtwerke Krefeld. Sie sind unter anderem beim großen Jubiläumskonzert am 18. Oktober, ab 19 Uhr, im Kaisersaal mit dabei. Erst einmal findet dort am Samstag, 31. Mai, ab 11 Uhr, der Festakt statt.