Erster Weltkrieg an der Heimatfront: Jugendliche an die Waffen

Sogar die Kirchenglocken wurden eingeschmolzen, um Granaten gießen zu können.

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Vorst. Vorst im Ersten Weltkrieg: Die kleine Landgemeinde ist Spiegel der großen Ereignisse. Zunächst ist auch hier die vaterländische Begeisterung groß. Unglaublich heute: Die Jugendlichen brennen darauf, an die Front zu gehen. Am 12. Oktober 1914 findet eine Versammlung im Hotel Schraven statt (später Hotel zur Post). Dort tragen zahlreiche Teens den Wunsch vor, eine Jugendkompanie zu gründen, um vormilitärische Ausbildung zu betreiben.

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Zehn erwachsene „Führer“ (meist gediente Soldaten) und 92 Jugendliche ab 16 wollen sich an der Aktion beteiligen. Sonntagvormittag soll auf dem Sportplatz geturnt werden, bei schlechter Witterung im Saale der Witwe Küppers. Aber als im Juni 1915 der Kompanieführer Fabricius eingezogen wird, löst seine jugendliche Kompanie sich auf.

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Als Vorbereitung auf das Grauen an der Front hätte der vaterländische Turnunterricht kaum getaugt. Nachdem der deutsche Vorstoß auf Paris gescheitert ist, kommt der deutsche Bewegungskrieg in Frankreich zum Stillstand. An der Westfront beginnt nun ein jahrelanger, zermürbender Stellungskampf, der einer gegenseitigen Belagerung gleicht.

Die Millionenheere graben sich ein, lauschen aus ihren vier Meter tiefen Unterständen auf die Explosion der Granaten. Bevor die Infanterie auf die feindliche Stellungen losgeht, legt die Artillerie den Gegner tagelang unter Trommelfeuer, mit Schrapnells und Minen. Das Zeitalter der Matertrialschlachten hat begonnen. Die Technik triumphiert über den Menschen.

Zur Ermunterung der im Felde stehenden Gemeindesöhne startet der Vorster Kaplan Klucken eine Frontzeitung — die „Vorster Kriegsgrüße“. Sie bestehen aus einem Doppelblatt im Format 16 mal 24 Zentimeter und erscheinen ab dem 15. August 1915 alle zwei bis drei Wochen.

Den Vorster Soldaten im Felde bieten sie Informationen über das „Neueste in Kirche und Schule, von den Vereinen, vom Leben in der Gemeinde.“ Heimatpflege im Schützengraben.

Die Materialschlachten im Westen verpulvern Unsummen. Frisches Geld erhofft sich der Staat von Kriegsanleihen. Bei der Verschuldung gibt‘s keine Hemmungen, der geschlagene Gegner wird ja alles zurückzahlen. In Erwartung eines baldigen glorreichen Sieges geben viele Familien ihre kompletten Ersparnisse her, um dem Vaterland zu helfen. Die Vorster Kirchengemeinde geht mit „gutem Beispiel“ voran, zeichnet für sechs Kriegsanleihen insgesamt 31 000 Mark. Aber dann ist der Krieg verloren, und das Geld auch.

Und die Kirchen sind nun stumm. Für den Guss von Granaten wandern die Glocken in die Schmelze. St. Godehard verliert die Marienglocke (951 Pfund), die Michaelisglocke (116 Pfund) und die kleine Gotthardusglocke (100 Pfund). Was mit Jubel begann, endet in lähmendem Schweigen.