Existenzgründung: Viel Arbeit mit Bürokratie

Der Willicher Holger Claßen hat sich selbstständig gemacht. Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter im Stahlwerk verlief dabei sehr schwierig.

Willich. Holger Claßen liebt seine Arbeit. Der gelernte Bürokaufmann ist Profi in Sachen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Im Oktober 2010 verlor der heute 44-Jährige seinen Job, weil sein damaliger Chef die Firma wegen Krankheit aufgab. Claßen war anderthalb Jahre arbeitslos. Dann fand er eine neue Stelle — und die wurde gefördert. Doch die spätere Zusammenarbeit mit dem Willicher Jobcenter verlief alles andere als erfreulich.

„Da ich seit Geburt an eine Tetra-Spastik habe, die mich in meiner Bewegung einschränkt, zähle ich zu den Menschen mit Behinderung“, sagt der gebürtige Krefelder. Nach drei Monaten konnte ihn sein neuer Chef nicht mehr bezahlen — Claßen meldete sich im August 2012 erneut arbeitssuchend.

Im für ihn zuständigen Jobcenter Willich erkundigte er sich nach Fördermöglichkeiten für eine Selbstständigkeit. „Denn als Mensch mit Handicap ist die Arbeitssuche doppelt so schwer“, sagt Claßen.

Mit einer privaten Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung machte er sich im September selbstständig. „Der Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld in die Selbstständigkeit ist ordnungsgemäß bearbeitet und entschieden worden“, heißt es von Seiten des Jobcenters. Dafür musste Holger Claßen sein voraussichtliches Einkommen schätzen.

Er gab den monatlichen Gewinn mit rund 390 Euro an, investierte die meiste Arbeitszeit ab September jedoch in „behördlichen Ärger“ mit dem Jobcenter. Nach sechs Monaten stellte er fristgerecht den „Antrag auf Weiterbewilligung für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes“. Erst nach mehrmaligem Nachhaken bekam er das Geld, was ihm zusteht. „Und wieder investierte ich meine Arbeitszeit in Bürokratie“, ärgert sich Claßen.

In einem von vielen Gesprächen im Jobcenter an der Gießerallee beschwerte sich Claßen darüber. Ein Mitarbeiter begründete die verspätete Bearbeitung damit, das Personal sei überfordert. Nach WZ-Informationen sind nur noch vier von einst zehn Personen dort beschäftigt. Laut Gesetz betreut ein Mitarbeiter 150 Kunden.

Für Holger Claßen bedeutet der Weg zum Amt stets eine große Anstrengung. Weder Behinderten-Parkplätze, noch Druckknopftüren gebe es dort.

Zum jüngsten „sachgemäß dokumentierten Beratungsgespräch“, sagt Stefan Röttges, Leiter des Jobcenters Kreis Viersen: „Offensichtlich verlief es nicht zur Zufriedenheit von Herrn Claßen.“

„Dass der Jobcenter-Kunde nicht König ist“, halte ihn aber nicht davon ab, weiterzumachen, so Claßen — schließlich liebt er seine Arbeit.