Tönisvorst Mit dem Tandem durch Vorst

Für die Seniorenhäuser der Alexianer in Tönisvorst sind zwei Spezialräder angeschafft worden. Eine Investition mit Spaßfaktor, wie die Probefahrt am Kandergarten gezeigt hat.

Tönisvorst: Mit dem Tandem durch Vorst
Foto: Kurt Lübke

Vorst. Anna Gosling könnte es sich neben Monika Dimitriadis bequem machen und ihre Beine ausgestreckt ruhen lassen. Aber sie tritt in die Pedale, als könne und wolle sie an diesem Nachmittag ganz Vorst umrunden. Über die Anrather Straße geht es Richtung Bruchweg, von dort in den Alleenweg Richtung Pastorsfeld und Donkweg.

Nach zehn Minuten Fahrt fragt Monika Dimitriadis ihre emsige Beifahrerin fürsorglich: „Und, schon kaputt Frau Gosling?“ „Ach watt,“, kontert die 88-Jährige, „wovon denn?“

Die Bewohnerin des Kandergartens in Vorst genießt diesen Ausflug zu zweit. Wetter gut. Die Temperaturen angenehm. Dazu eine Fortbewegung auf neuer Route, die der Senioren sonst zu Fuß - weil viel zu weit - verwehrt geblieben wäre.

Zwei unterwegs auf einem Tandem — diese neue Mobilität zieht in Vorst Blicke von Passanten und Autofahrern auf sich. Das neue Spezialrad - in vier Stufen unterstützt von einem Elektromotor - war vor elf Monaten von Jutta Hartmann, Leiterin des Seniorenhauses an der Gelderner Straße und des Kandergartens in Vorst, als Idee aus Münster vorgestellt worden. Nun steht es bezahlt vor dem Eingang der Einrichtung. 8000 Euro hat das Tandem gekostet. Ein zweites steht den Senioren in St. Tönis zur Verfügung.

„Am Anfang konnte ich mir das nicht recht vorstellen“, räumt Monika Dimitriadis, seit 2012 im Kandergarten tätig, seit 2015 in Funktion als Seniorenbetreuerin, ein. „Ich habe mich gefragt, wie das funktionieren soll. Aber als das Tandem dann dastand, hab ich sofort gedacht: Das ist toll.“

Nach Probefahrten und Routencheck mit Chefin Vanessa Thienenkamp ist Monika Dimitriadis nun Chauffeurin für alle, die sich trauen und denen eine Fahrt im Sitz unter freiem Himmel durch Vorst gesundheitlich und körperlich zuzutrauen ist.

„Ganz früher bin ich mit dem Rad durch den Krefelder Stadtpark gefahren“, erzählt Anna Gosling. „Aber die letzten 30 Jahre war ich eigentlich nur noch im Auto unterwegs.“

Nun sitzt sie angeschnallt auf dem Beifahrersitz, die Hände am festgestellten Lenker und schaut rechts und links, wer auf den Bürgersteigen unterwegs ist, betrachtet einen neuen Spielplatz und sieht Anwohner, die in ihren Gärten schaffen.

„Schöne Häuser“, sagt sie. Als sie an einem Neubau vorbeiradeln, weiß Monika Dimitriadis, wem das Gebäude gehört. Neue Perspektiven, neue Gesprächsansätze, die Ausfahrt à deux steckt voller Anreize.

Bevor das Damen-Doppel aus dem Donkweg wieder auf die Bruchstraße einbiegt, streckt Anna Gosling den Arm aus. Sie ist eine höchst aufmerksame Beifahrerin. Schließlich muss man einen Richtungswechsel anzeigen.

Seit eineinhalb Jahren lebt sie Vorst. Mit ihren 88 Jahren ist sie erstaunlich fit. „Ich war früher sportlich. Wir sind viel tanzen gegangen.“

Letzte Meter über den Fahrradweg. Anna Gosling und ihre Begleiterin erreichen wieder den Parkplatz des Kandergartens. Andere Bewohnerinnen sitzen in der Sonne. Sie verfolgen den Ausstieg mit Interesse.

„Unsere Aufgabe ist es, den Bewohnern die Angst vor dem Mitfahren zu nehmen. Noch sind es nicht so viele Freiwillige“, sagt Monika Dimitriadis. „Wir werden jetzt mal kleine Probefahrten auf dem Parkplatz anbieten.“

„Wann darf ich mal?“, meldet sich da eine Dame, die auf einer anderen Bank sitzt. Frau Kaltenbach, 86, hat spontan Lust auf eine Ausfahrt. Die Frau, die aus Hamm stammt und deren Tochter in der Nähe wohnt, bekommt sogar mehr als die Parkplatzrunde. Sie tauscht ihren Rollator gegen den Tandemsitz. „Sollen wir die Runde von Frau Gosling machen?“, fragt ihre Lotsin. „Und wenn ich weiter will“, fragt die Senioren kess zurück. Monika Dimitriadis lacht: „Bis Krefeld fahren wir heute nicht mehr.“