Willich/Tönisvorst. Das Thema spaltet die Parteien. Und nicht nur die. Auch in vielen Familien wird heftig diskutiert, ob die früheren RAF-Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar vorzeitig aus ihrer Haft in Stammheim entlassen werden sollen. Wie sehen das die Menschen in unseren Städten? Die Westdeutsche Zeitung hörte sich unter Juristen um.
"Ich halte nicht viel davon, Mohnhaupt und Klar freizulasen", sagt Lukas Siebenkotten, Chef der SPD-Fraktion und früherer Bürgermeister von Willich. "Lebenslänglich ist lebenslang." Jeder verurteilte Mörder sei gleich zu behandeln. "Egal ob politisch oder anders begründet." Man könne da nicht nach dem Motiv unterscheiden. Wenn es stimme, dass beide Ex-RAF’ler sich nicht von ihren Taten distanziert hätten, gebe es aus seiner Sicht keinen Grund für eine vorzeitige Entlassung. Allerdings: "Eine Überprüfung ist in unserem Recht ausdrücklich vorgesehen und grundsätzlich in Ordnung."
"Zerrissen" ist auch Thomas Goßen, Stadt-Jurist in Tönisvorst, in dieser Frage. "Die Schuld der beiden ist ja ganz erheblich." Aber eine Überprüfung sei vorgesehen und das müsse man dann im Einzelfall auch machen. "Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt auch hier", so Goßen. "Das ist ja gerade eine Stärke unseres Rechtsstaates." Allerdings tue er sich persönlich recht schwer. Er könne bislang keine Reue erkennen und dann mache ihm eine vorzeitige Entlassung Bauchschmerzen. Grundsätzlich sei es richtig, dass das Gnadengesuch an den Präsidenten sehr behutsam gebraucht werde. Dieses dürfe auch kein politisches Instrument sein. Allerdings fehlten ihm zu viele Informationen, um sich ein vollständiges Bild zu machen.
"Eine ganz schwierige Frage", räumt Günter Scheuer, früherer Stadtdirektor von Tönisvorst ein. "Breite Kreise der Bevölkerung müssen eine Begnadigung ja auch verstehen und genau da sehe ich ein Problem." Zumal auch er eine Entschuldigung der beiden bislang nicht erkennen kann. "So lange stehe ich einer vorzeitigen Entlassung sehr skeptisch gegenüber."
"Das Recht auf vorzeitige Entlassung steht jedem zu", erklärt Angelika Hamacher, stellvertretende Bürgermeisterin Tönisvorsts und Richterin am Amtsgericht in Mönchengladbach. "Das ist im Grunde genommen gar keine Frage." Das gelte auch, wenn sich die Täter ganz weit außerhalb des Gesetzes bewegt hätten. "Da muss man das Juristische vom Menschlichen trennen." Allerdings könne sie die Familien der Betroffenen sehr gut verstehen. Die Frage der Reue spiele eine gewisse Rolle für die Sozialprognose. Aber das Recht sehe die Möglichkeit ausdrücklich vor. Zumal seinerzeit eben nicht die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden sei.
Ähnlich argumentiert Katja Grafweg, Leiterin des Gefängnisses in Anrath. "Das würde ich wie bei jedem anderen Inhaftierten sehen." Man müsse fragen, ob von dem- oder derjenigen noch Gefahr für die Gesellschaft ausgehen könne. Dann komme es darauf an, ob sich die Verurteilten mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hätten, "sich distanziert" hätten, wie es Grafweg formuliert. Und wenn diese Fragen positiv beantwortet seien, würde sie die beiden entlassen. "Natürlich würde ich mir auch die Hilfe eines Gutachters holen." Dass eine vorzeitige Entlassung in den Augen der Angehörigen der Opfer problematisch sei, sei ihr bewusst: Eine Entlassungs-Entscheidung sei rechtsstaatlich. Ob sie gerecht ist . . . ?