Nichtraucherschutz: Qualmen und quatschen – anstatt zum Psychiater
Die Wirte in Willich und Tönisvorst haben Lösungen gefunden.
Willich/Tönisvorst. Eine gewisse Spannung lag durchaus in der Luft vor diesem 1. Juli, an dem sich das Rauchverbot in öffentlichen Räumen auch auf die Gastronomie in Nordrhein-Westfalen - als letztes Bundesland - erstrecken sollte. Tagsüber war sie noch nicht wahrnehmbar, aber wie würde er verlaufen, der Besuch in der Kneipe am Abend?
Wäre es wie im Saarland oder in Berlin, wo der Wirtshausbesucher vor lauter Schmacht mit den Fingern auf den Tresen trommelt und den gemütlichen Kneipenbesuch frustriert vorzeitig abbricht?
Die WZ machte den Test in Willich und Tönisvorst: Wirklich Stress war an diesem Abend nicht zu erwarten. Das Wetter zu schön, um sich aufzuregen und damit auch geeignet, seine Zigarette entspannt vor der Tür der Kneipe seines Vertrauens zu rauchen.
Im Haus Wirichs an der St. Töniser Hochstraße kein Problem, denn vor der Tür stehen gemütliche Tische. "Und wir haben auch den Innenhof", sagt Wirt Rino Caruana. Im hinteren Bereich des Gasthauses, dort wo gegessen wird, darf schon seit langem nicht mehr geraucht werden.
Deswegen die Aschenbecher auf der Theke. "Wir weisen unsere Gäste auf die verschiedenen Bereiche hin", sagt Rino Caruana.
Ihm tun die kleinen Kneipen leid, die diese Möglichkeit nicht haben und prophezeit negative Auswirkungen auf die Kosten im Gesundheitswesen. "Wenn sich die Stammgäste nicht mehr ausquatschen können, müssen sie in Zukunft wahrscheinlich mit psychischen Schäden zum Psychiater."
Den Hinweis auf die Länder in der EU, die Vorreiter waren, lässt er nicht gelten. "Klar funktioniert das. Aber auf wessen Kosten?"
Auch in der Gaststätte Boves an der Krefelder Straße hat man die Möglichkeit, Raucher und Nichtraucher zu trennen. Helmut Thommessen darf hinter der Theke, wo er für Gäste der Kegelbahn die Bierchen zapft, genau wie diese nicht mehr rauchen.
Davor darf nach wie vor geraucht werden. Doch Nichtraucher Heinz Mopper sitzt weiterhin einträchtig neben dem Raucher Stefan Stürmer.
Die Zwitscherstube ist eine typische Ein-Raum-Kneipe an der Schulstraße. Auch hier stehen die Aschenbecher auf der Theke. Bevor ein Gast etwas bestellen kann, fragt ihn Wirtin Petra Noebels, ob er Mitglied im Raucherclub "Mensch. Kultur. Kneipe." werden möchte.
Die Mitgliedschaft ist kostenlos, zeitlich unbefristet und jederzeit kündbar. Die übrigen Männer an der Theke frönen bereits dem Zweck des Clubs und fördern "den gemeinsamen Genuss von Tabakwaren in Nordrhein-Westfalen".
Auf dem vom Hotel- und Gaststättenverband entworfenem Formular wird Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme zwischen Rauchern und Nichtrauchern beschworen. "Die Nichtraucher regen sich bald mehr über das Verbot auf als die Raucher", sagt Noebels.
Im Gasthof Jakob Packbier an der Clevenstraße in Vorst ist der vordere Gastraum Nichtraucher-Bereich. "Wollen Sie rauchen?", fragt Jakob Packbier und stellt den Aschenbecher mit dem Druckknopf auf den Tisch. "Hier hinter der Theke ist Raucherbereich. Ich rauche seit 60 Jahren und werde das weiterhin tun!"
Es ist nach 22 Uhr, es wird nicht mehr gegessen, die anderen Männer an der Theke - Nichtraucher - stören sich nicht am Rauch. "Warum also nicht." Auch er hat mehrere Räume, hat getrennte Bereiche eingerichtet. "Wo im Endeffekt geraucht werden darf und wo nicht, das muss sich einspielen", sieht er die Sache gelassen.
Sohn und Mitinhaber Josef ist mit der gesetzlichen Lösung nicht zufrieden. Er ist seit acht Jahren Nichtraucher und hatte gehofft, dass mit der Qualmerei endlich Schluss sei. "Das ist zu wischi-waschi", lautet sein Urteil.
In Willich an der Peterstraße vor Haus Grootens steht ein Mensch vor der Tür, der sich gerade eine Zigarette anzündet. Bei genauerem Hinsehen erkennt man Wirt Erik Maluschka, der kurz vor dem Schließen schon mal rauchend die Buchsbaumbüsche hereinholt. Weil er Essen anbietet, kann er nicht auf die Lösung "Raucherclub" zurückgreifen.
Er ist gespannt auf die Entwicklung, denn auch an seiner Theke wird gequatscht und gequalmt. "Manchmal sind die Aschenbecher voll, an anderen Abenden raucht kein Mensch." Noch sind im Biergarten und im Freiluft- Strandbereich die Temperaturen so angenehm, dass man beliebig ausweichen kann.
Im Peter 2 hat Wirtin Andrea Tinelli einen Raucherclub gegründet. Außer den Gästen an der Theke hält hier der Sechser-Club seinen Stammtisch an jedem ersten Dienstag im Monat ab - vier Nichtraucher und zwei Raucher in trauter Eintracht.
Wenn sie nicht rauchen dürften, hätte sich die Gruppe nicht getroffen oder wäre nicht so lange geblieben. "Dann hätte ich längst zugeschlossen", sagt Andrea Tinelli und ihr Unterton klingt bitter.