Tönisvorst: Hilfe für die „Zaungäste“

Seit zehn Jahren kümmert sich Rashid Nadeem um die Asylbewerber in Tönisvorst.

Tönisvorst. Am Kreisverkehr in Vorst treffen Welten aufeinander. Von Süchteln kommend, passieren den Kreisel täglich hunderte Wagen, viele Pendler mit Ziel St.Tönis, Kempen, Krefeld oder anderswo. Wer hier vorbeikommt, nähert sich Meter um Meter seinem Ziel.

Die Menschen, an denen Autofahrer hier in Sekundenschnelle vorbeirauschen, haben auch eins. Sie leben wenige Meter von dieser Verkehrsdrehscheibe entfernt, in zwölf Quadratmeter großen Container-Zimmern. Sie harren fern ihrer Heimat. Worauf? Auf ihr ganz persönliches Ziel: Sie wollen in Deutschland bleiben. Erreichbarkeit? Ungewiss.

Asylbewerber in Vorst - es gibt sie noch. Doch so wie der weiße, zehn Jahre alte Containerbau am Vorster Sportplatz hinter hohem Grün mittlerweile fast unbemerkt bleibt, so wenig ist das Thema Asyl noch eines in der Tönisvorster Öffentlichkeit.

Das war vor zehn Jahren noch ganz anders. Im August 1998 wurde Rashid Nadeem der Öffentlichkeit vorgestellt. Als Betreuer der Asylbewerber in Tönisvorst kümmerte er sich damals um 340 Flüchtlinge. "Die meisten waren Kosovo-Albaner", sagt Nadeem, der bis heute in Diensten der Arbeiterwohlfahrt für die Betreuung zuständig ist.

Sein Aufgabengebiet hat sich mittlerweile um Grefrath und Oedt erweitert, die Zahl der Flüchtlinge allerdings auf ein Drittel reduziert. "Von 100 bis 120 Menschen" spricht er aktuell, "die meisten aus Afrika und dem Irak." Es sei eben schwieriger geworden, nach Deutschland zu kommen. Die Grenze sei dicht.

Wer in Deutschland ankommt, muss längst nicht mehr so lange wie Ende der 90er Jahre auf seinen Bescheid warten: Heute würden Asylanträge meistens sehr schnell bearbeitet, oft "innerhalb von drei Monaten", so Nadeem.

Viele würden abgelehnt. Die Rückreise verzögere sich dann nur, wenn keine Papiere vorliegen oder wenn das Heimatland etwa Irak heißt und wegen der instabilen politischen Lage eine Ausreise nur freiwillig erfolgt.

Für die rund 20 jungen Männer, die zurzeit am Sportplatz wohnen, ist der 62-jährige Rashid Nadeem der erste Ansprechpartner. Er hilft ihnen bei Behördengängen. Er ist der Kontaktmann zur Stadt Tönisvorst. Die er übrigens sehr lobt: "Die Stadt ist sehr hilfsbereit. Die macht alles." Und betont, dass es hier monatliche Barleistungen gibt.

Und Nadeem ist nicht zuletzt Seelsorger. Seine Sprachkenntnisse in Englisch, Indisch, Türkisch, Iranisch und Deutsch sind sein großer Vorteil. Und seine eigene Biographie: "Ich stamme aus Pakistan und war selber Asylbewerber." 15 Jahre lang. 15 Jahre lebte er zwischen Hoffen und Bangen, immer von Abschiebung bedroht. Heute wohnt Nadeem in Willich.

Viele traurige Familien-Schicksale hat er in den zehn Jahren hautnah mitbekommen. Die Abschiebung einer Frau mit mehreren Kindern, darunter auch in Deutschland geborene, war ihm besonders nahe gegangen. "Das war einen Tag vor Weihnachten."

Seine nicht nachlassende Motivation umschreibt er so: "Es macht mich glücklich, wenn ich anderen helfen kann." Und bringt das Beispiel des irakischen Ehepaares an, das 2001 im Container am Sportplatz ankam und mittlerweile mit vorübergehender Aufenthaltserlaubnis in St.Tönis lebt.

Sie ist Krankenschwester und arbeitet im Ort. "Zunächst war ihr Zeugnis hier nicht anerkannt worden." Nadeem vermittelte eine Schule. "Da ist die Frau ein Jahr lang jeden Tag nach Köln gefahren, um den Abschluss zu machen." Ein älteres Ehepaar aus St.Tönis hilft dem irakischen Paar, seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

Und was tun die, die keiner Arbeit nachgehen (dürfen), Herr Nadeem? "Sie gehen spazieren, besuchen Landsleute und Freunde in der Umgebung. In Anrath zum Beispiel sind auch viele Afrikaner." Oder sie gucken Fußball, am Wochenende auf dem Sportplatz in Vorst. Zaungäste bei einem Stück Normalität in Deutschland sein. Die ist ihr Ziel.