St. Tönis. Die Auseinandersetzung, sagt Polizeisprecher Wolfgang Wiese, nahm im Klassenzimmer ihren Anfang. Als Provokation zwischen einer 14-Jährigen und einem Klassenkameraden (13), beide Schüler der Hauptschule Kirchenfeld. Sie endete außerhalb des Schulgeländes mit Schlägen des 16-jährigen Bruders des Mädchens, "der den 13-Jährigen unter anderem ins Gesicht schlug". Gegen den Älteren läuft nun ein Ermittlungsverfahren "wegen des Verdachts auf einfache Körperverletzung".
Der Vorfall ereignete sich am 24. Januar. Gerade war eine erste Vernehmung. Ob auch ein weiterer Junge, 15 Jahre, Post von der Staatsanwaltschaft bekommt, muss "noch rechtlich gewürdigt werden". Der Junge hatte zufällig in der Nähe gestanden, die Schlägerei mit seiner Kamera gefilmt und die Aufnahme anschließend ins Internet eingestellt. "Der Film liegt der Polizei als Beweismittel vor", bestätigt Wiese. Die Bilder seien aber längst aus dem Portal genommen worden.
Im Kreis Viersen ist es wohl der erste Fall von "Happy Slapping" (siehe Kasten) - auf den nicht nur die Polizei reagiert. Auch die Schule hat, obwohl die Schlägerei nicht auf ihrem Gelände passierte, "erhebliche Ordnungsmaßnahmen ergriffen", sagt Schulleiter Andreas Irkens. "Das war nicht nur ein Du-Du-Du-Du." Einzelheiten wolle er nicht nennen. Nur noch das: "Wir haben den Fall in den Klassen zum Thema gemacht." Und: Die beiden Schüler hätten Reue gezeigt. Nicht in Ordnung findet Irkens, dass offenbar Erwachsene in der Nähe gestanden hatten, "die nicht eingriffen. Da wünschen wir uns als Schule mehr Unterstützung."
"Das Schlimmste für das Opfer ist bei dieser Form der Gewalt, dass es nicht nur geschlagen wird, sondern dass seine Hilflosigkeit auch noch über ein Medium verlängert wird", erklärt Georg Viehoff, Schulpsychologe des Kreises Viersen. Das Opfer werde gleich von mindestens zwei Personen, dem Angreifer und dem Filmer, gedemütigt.
Erster fall Im Kreis Viersen ist es der erste Fall von "Happy Slapping", der dem schulpsychologischen Dienst bekannt wurde.
"Happy slapping" bedeutet zu Deutsch "fröhliches Draufschlagen" und bezeichnet eine Form von Gewalt, bei der ein Angreifer jemanden grundlos attackiert. Ein weiterer Beteiligter filmt den Angriff beispielsweise per Handykamera, das Video wird anschließend ins Internet gestellt oder per Handy weiterverbreitet.
Vorbeugung Ein konsequentes Handyverbot an Schulen sei eine Möglichkeit, dem Problem zumindest dort vorzubeugen, wo viele Jugendliche zusammen sind, sagt Schulpsychologe Georg Viehoff.
Zivilcourage "Ganz wichtig ist, dass jeder Erwachsene, der sieht, wie jemand verprügelt wird, lautstark darauf aufmerksam macht", appelliert Viehoff. Man könne auch selbst Fotos machen und sie dem Täter zeigen als Beweis, dass man ihn bewusst wahrgenommen hat.
Eltern von Opfern sollten sich an psychologische Beratungsstellen wenden und mit ihren Kindern das Gespräch suchen. Auch die Täter benötigten oftmals psychologische Hilfe. "Schließlich wird niemand als Täter geboren. Es gibt immer Ursachen für Gewaltverhalten", sagt Viehoff.
Jugendschutz Polizeisprecher Wolfgang Wiese (Foto) gibt den Tipp: Auch das Kommissariat Kriminalitätsvorbeugung steht als Ansprechpartner bei Themen des Jugendschutzes zur Verfügung, Telefon: 02162/3770.