St. Tönis: Laute Lieder und kalte Tömpe
Als traditioneller Auftakt zur Weihnachtswoche zieht das Singen in der Fußgängerzone immer weitere Kreise.
St. Tönis. Dass es Jahr für Jahr kälter wird, mag subjektiv sein. Aber dass es ein Weihnachtssingen am WZ-Bus in einer mit Puderzucker bestreuten St. Töniser Hochstraße gab, daran kann sich niemand erinnern. Entsprechend inbrünstig wurde "Schneeflöckchen, Weißröckchen" angestimmt.
Unabhängig von den Temperaturen wird die Schar der Sänger von Jahr zu Jahr größer und größer. Wobei das neue WZ-Heft mit Liedern der Weihnachtszeit sehr gut passt. Eine Vielzahl Leser zückt die WZ-Karte und bekommt kostenlos die textliche und musikalische Grundlage für zehn populäre Weihnachtslieder.
Wobei letztere nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen. "Jingle Bells kann ich nicht ausstehen", sagt ein Besucher und reiht sich hinter Rolf Schumacher ein, der mit seinem Akkordeon in der ersten Reihe steht. "Oh, du Fröhliche" - es geht los. Die Melodie lockt auch solche Fans in die Hochstraße, die auf dem Markt eingekauft haben. So Hajo Thelen, der sich über das Liedheft freut: "Da kann ich mit dem Enkelkind üben." Hannelore Ohlig kommt gerade frisch vom Friseur und macht spontan mit.
Helga und Rolf Jansen sind aus Anrath nach St. Tönis gereist, extra für das WZ-Singen. "Ich bin aus Kempen zugelaufen", sagt Karl-Heinz Lenzen. "Gibt es dieses Singen in jedem Jahr?" fragt er. "Dann werde ich üben."
Constanze Hasselmann ist mit Sohn Hagen gekommen. "Seit wann gibt es denn dieses Singen", fragt sie. Astrid Plachetka ist froh, endlich mal dabei sein zu können. "Bisher musste ich immer arbeiten. Jetzt bin ich pensioniert."
Und es gibt auch schon Reklamationen. "Was ist mit den alten Liedern?", fragt Ingrid Selent. "Es ist für uns eine Zeit angekommen", wünscht sie sich. "Oder: Heitschibumbeitischi". Doch die Möglichkeit, sich bei Rolf Schumacher etwas zu wünschen, nimmt sie nicht wahr. Sie geht vorzeitig und verpasst, wie das Liedchen gespielt wird.
Neben Schumacher stehen Herbert Bulla mit der Trompete und ganz außen Christian Beckers mit der Posaune. Alle drei weisen sich mit ihren roten Mützen als Weihnachtszeit-kompatibel aus.
"Es ist ein Ros’ entsprungen", wünscht sich eine Mitsängerin. Aber weil es so kalt ist, und die Finger der Spieler schon ziemlich steif sind, dauert die Pause ziemlich lange. "Wir müssen erst satteln", sagt Maria Schmidt beruhigend, als sei die Ros’ ein Ross .
Die kleine Rieke Ahrweiler blickt vom Arm von Mutter Telse aus misstrauisch zu den Sängern. "Da sind Oma und Opa dabei, und so viele Nachbarn", begründet die Mutter. Zwar singt die Kleine zuhause sehr gerne, aber so auf der Straße, das erscheint ihr wohl doch ungewöhnlich.
"Ein Glühweinstand wäre nicht schlecht", regt Erich Wilms an. "Ja", überlegt Annegret Giesen, "vielleicht machen wir das von Kolping im nächsten Jahr." Man könnte selbstgebackenen Plätzchen mitbringen. "Ja", sagt Anne Ruckdeschel. "Mittags gibt es Grünkohl, abends wird Hühnersuppe gereicht." Das Richtige zum Aufwärmen. Dann kann das Weihnachtssingen länger dauern. Anno 2009 mussten die Musiker um fünf vor zwölf Schluss machen. "Die Tömpe (Fingerspitzen) sin so kal, dat isch nix mehr fühl", sagt Rolf Schumacher und packt zusammen.