„Texte lernen ist mittlerweile richtig Arbeit“
Zum ersten Mal war R. A. Güther vor 22 Jahren Mitglied des Festspiel-Ensembles in Neersen. Dort hat er viele tolle Rollen gespielt.
Neersen. R. A. Güther gehört eindeutig in die Kategorie „alte Hasen“: Theater spielte der Mime und Regisseur, der im Oktober 75 Jahre alt wird, bereits als Schüler. Und bei den Neersener Schlossfestspielen wirkte er zum ersten Mal vor 22 Jahren mit. „Vor drei Jahren, nach 50 Jahren auf der Bühne, habe ich gesagt, ich höre auf — aber ich bin rückfällig geworden“, erklärt R. A. Güther.
Diesen Rückfall dürfte er aber nicht ernsthaft bereut haben, schließlich hat er noch so manche schöne Rolle bekommen — wie zum Beispiel im vergangenen Jahr den zunehmend an Alzheimer leidenden Amandus Rosenbach in „Honig im Kopf“. Eine Demenzerkrankung in seinem engsten persönlichen Umfeld zwang ihn in dieser Saison dazu, kürzer zu treten. Die Jahre sind auch an R. A. Güther nicht spurlos vorübergegangen: „Texte lernen ist mittlerweile richtig Arbeit.“
Alte Hasen, junge Hüpfer
Geboren wurde der Schauspieler in Lübeck, er wuchs aber in Zürich auf, weil sein Vater dort ein Engagement an der Oper hatte. Güther selbst hat die Schweizer Staatsangehörigkeit. Er spielte bereits als Schüler den Piccolo im „Weißen Rössl“. „Ein Kritiker schrieb damals, ich hätte eine große Karriere vor mir“, erzählt der 74-Jährige und korrigiert rückblickend diese Einschätzung: „Ich bin immer der große Einspringer gewesen.“ Dafür habe er sich nicht nur mit seinem Beruf über Wasser halten, sondern davon sogar recht gut leben können. Trotzdem hätten ihn Existenzängste sein ganzes Leben lang begleitet.
„Ich habe lange auch in Hamburg, meiner Wahlheimat, gespielt, wenn auch nicht an den beiden großen Häusern“, erklärt Güther. Zuerst hatte er ja eine kaufmännische Lehre absolviert. Aber dass er dann umgesattelt und eine Schauspielschule besucht hat, habe sich als richtige Entscheidung erwiesen. Seine Eltern hätten ihm keine Steine in den Weg gelegt — im Gegenteil: „Sie fanden alles wunderbar, was ich gemacht habe.“ Er hätte aber noch an einem anderen Beruf Freude gehabt: „Ich wäre auch gerne Dirigent geworden, hätte dafür aber Klavier spielen können müssen.“
„Ich habe schon zehn Mal meinen Sommer in Neersen verbracht und wenn ich zurück nach Hause kam, war die Heide verblüht“, sagt der Schauspieler, der immer wieder, nicht nur in Neersen, auch als Regisseur gearbeitet hat. In Willich sei er in einer Altbauwohnung „hochherrschaftlich untergebracht“ und er liebt den Flohmarkt an der Mönchengladbacher Trabrennbahn. Und nicht nur den, sondern im Speziellen alte Schallplatten und CDs: „Ich habe unter anderem 24 verschiedene Aufnahmen von Beethovens 7. Sinfonie“, verrät R. A. Güther.
Ob er im nächsten Jahr wieder nach Neersen kommen werde? „Das weiß nur Jan Bodinus und der liebe Gott — ich würde aber nicht nein sagen.“