Willich: Der Roller war das Größte

Wenn Jung auf Alt trifft, gibt es viel zu erzählen. Puppen sind früher wie heute ein begehrtes Geschenk.

Willich. Ein Computerspiel stand bei Wolfgang Schoen und Irma Schöner noch nie auf dem Wunschzettel für Weihnachten. Die beiden sind 72 und 84 Jahre alt und Bewohner des DRK-Altenheims in Willich Moosheide. "Damals war Krieg, da gab es nichts", sagt Wolfgang Schoen. Drei Jahre war er da alt. "Zum Jahreswechsel 1944/1945 haben wir die meiste Zeit in Düsseldorf im Luftschutzkeller verbracht und nicht einmal einen Tannenbaum gehabt."

Trotzdem ging er nie leer aus. "Einmal gab es ein Domino-Spiel, ein andermal einen Vorgänger von den heutigen Puzzles, Würfel oder eine Tafel zum Schule spielen." Nach dem Krieg hat sein Vater auf einem Trümmergrundstück einen kaputten Roller gefunden, in Ordnung gebracht und angestrichen.

Mit diesem Weihnachtsgeschenk war Schoen der Größte. "Wer hatte damals schon einen Roller?" Sein größter Wunsch war eine Eisenbahn zum Aufziehen. "Darauf habe ich jahrelang gewartet." Schließlich bekam er eine Holzeisenbahn, die sein Vater selbst gebaut hatte.

Das Computerspiel ist für Nina, Theresa und Amy, den fünfjährigen Mädchen aus der Kindertageseinrichtung des Roten Kreuz in Wekeln, selbstverständlich. Nina ist ziemlich konkret. Wird ihr Wunsch erfüllt, will sie das alte Spiel ihrem drei Jahre älteren Bruder Jan überlassen. Darüber hinaus hat sie sich "noch tausend Sachen gewünscht."

Niemand bezweifelt, dass sie die auf der Stelle aufzählen könnte, aber sie ist klug genug, nur die wichtigsten zu nennen: "Stempel zum Verstellen und Polly-Sachen." Das bislang schönste Weihnachtsgeschenk war vor zwei Jahren das Schaukelpferd.

Für Theresa soll es in diesem Jahr ein Pferd zum Spielen sein, genau wie für Amy. Die hat ganz genaue Vorstellungen: "Ein liegendes Fohlen, in braun!" Denn so ein Tier kennt sie auch in echt: Lucy, ihr Lieblingspony. "Und Kleider für meine Puppen Pia und Lillifee."

Auch die Leiterin der Kindertagesstätte, Helga Schmitz, kann zu diesem Thema etwas beitragen. Für die Mutter der in den 50er Jahren geborenen Frau war eine Puppe ebenfalls ein Herzenswunsch. "Und einmal bekam meine Oma einen Bezugsschein für einen Kinderwintermantel, den meine Mutter dringend brauchte."

Doch weil sie gleichzeitig einen gebrauchten Mantel geschenkt bekam, konnte sie den neuen bei einer Tauschbörse gegen eine echte Schildkröt-Puppe eintauschen und ihrer Tochter den Wunsch erfüllen. "Diese Puppe habe ich heute noch. Die würde heute 400 Euro kosten."

Zum Thema Puppen weiß auch Irma Schöner einiges zu sagen. Sie erinnert sich an die Kleider: "Mein Bruder kam rein und sah meine Puppe Lotti. In die war er doch so verliebt. Er war ganz begeistert von den neuen Sachen, die sie zu Weihnachten bekommen hatte und sagte immer: "Meine Lotti, meine Lotti." Dabei strahlt Irma Schöner übers ganze Gesicht. Der Bruder war ihr kleiner Bruder, sie lebten damals in Lodz, Polen. Sonst fällt es ihr schwer, sich an Konkretes zu erinnern.

"Es war immer alles so schön. Mein Bruder und ich, wir waren Weihnachten immer so entzückt. Wir wussten gar nicht, was wir sagen sollten." Wer ihren Blick sieht, glaubt ihr, dass sie den Himmel offen gesehen hat, an den Weihnachtsfesten in ihrer Kindheit - und sich daran zu erinnern ist schließlich das Wichtigste.

Da ist ihr Theresa gar nicht so unähnlich. Die blüht erst dann so richtig auf, als es um Adventskalender geht. Nina hat einen von Barbie, Amy mit Schokolade drin und sie, sie erzählt von etwas ganz Dunklem "und darauf sind Sterne".

Dabei weiten sich ihre Augen, sie blickt durch Irma Schöner und Wolfgang Schoen, durch den Leiter des Altenheims, Andreas Dinkelmann, ihre Erzieherinnen und ihre Freundinnen hindurch in viellicht..., ja ... eine himmlische Ferne. Und von Computerspielen ist keine Rede mehr.