Willich: Ein Leben vom Brauchtum

Barbara Stommel schneidert und verleiht alles, was Schützen und Karnevalsprinzen brauchen.

Willich. Sie kennt sie alle: Die jungen und die alten, die großen und die kleinen, die dicken und die dünnen. Barbara Stommel gehört seit sieben das Willicher Uniformhaus. Und sie hat die meisten Willicher Schützen angezogen. Aber nicht nur sie. Das Einzugsgebiet des unscheinbaren Ladens an der Kreuzstraße erstreckt sich von Wesel bis Neuss.

Das sind unzählige Schützenfeste und tausende Schützen. Zur Hochsaison, von Pfingsten bis Oktober, geht es im Uniformhaus zu wie im Taubenschlag. Die einen wollen Jacken anprobieren, damit sie die richtige Größe ausleihen, die nächsten holen die grünen Uniformen und Hüte ab.

"Da fehlen aber noch die Schnüre für den Spieß. Und bei der anderen Uniform die Schulterklappen", klagt ein junger Mann. Auf den Armen balanciert er locker zehn grüne Jacken - für den ganzen Schützenzug aus Neuss. "Machen wir, kein Problem", sagt Stommel und sucht eine gelbe Schnur für den Spieß und die Schulterklappen.

"Das war gar nicht so einfach, die ganzen verschiedenen Uniformteile zu lernen", erzählt die gelernte Schneiderin. Zumal jedes Schützenfest seine eigene Regeln hat: Schiefbahn ist anders als Willich und Clörath-Vennheide anders als Neuss-Holzheim. Und dann hat noch jeder Zug seine eigenen Traditionen.

Plötzlich schneit ein ganzer Schützenzug herein: 20 Mann kommen zur Anprobe in den schmalen Laden, in dem 2500 Uniformjacken plus Zubehör lagern. "Das ist ein Heidenspaß, weil man so viel vom Leben im Zug mitbekommt", wird sie später erzählen. Allein 30 Willicher Züge leihen beim Willicher Uniformhaus. Das sind für Stommel die besten Kunden.

Sind Züge länger zusammen, kaufen sie sich eigene Jacken. Vier bis sechs Wochen müssem sie warten, bis die fünf Angestellten des Willicher Uniformhauses aus zwei Metern grünem Schurwoll-Stoff eine Jacke fertig gestellt haben. "In größter Not zaubern wir sie in drei Tagen", berichtet Stommel. Dabei sind die Jacken längst nicht mehr nur grün. "Gerade junge Leute wollen sich abheben. Da bieten wir zum Beispiel Musketiere oder die preußische Infanterie an."

Sie arbeitet die Kunden der Reihe nach ab. "Die meisten sind sehr nett. Ich wusste ja zuerst auch nicht, wie die Schützen so ticken. Aber sie sind alle sehr freundlich und höflich", berichtet sie - und auch ihr flotter, aber geschäftsmäßiger Ton kommt an. Sie wird immer wieder eingeladen zu Schützenfesten und zu Karnevalssitzungen. Oft muss sie absagen, nur das Willicher Fest schaut sie sich immer an.