Blind heißt nicht wehrlos
Wer sich trotz Sehbehinderung selbst behauptet, wird nicht so schnell zum Opfer.
Mönchengladbach. Polizist Eric Block blickt in die Runde. „Wer hat denn schon mal eine bedrohliche Situation erlebt“, fragt er bei seinen Kursteilnehmern nach. Helmut Haile zögert zuerst und erzählt dann doch von seiner Begegnung mit einer Gruppe Jugendlicher bei einem Spaziergang.
Mit dem Satz: „Du bist doch gar nicht blind, du tust doch nur so“, haben sie den Sehbehinderten aufgehalten und bedrängt: „Ich hatte schon ein komisches Gefühl, bin dann aber einfach weitergegangen“, berichtet Haile.
Für Eric Block steht eindeutig fest: „Auch das ist Gewalt. Sie fängt nicht erst an, wenn ihr geschlagen werdet“. Der Leiter der Abteilung Polizeidienstsport in Mönchengladbach weiß, wovon er spricht. Seit 15 Jahren gibt der Kampfsportler Selbstverteidigungskurse für unterschiedliche Zielgruppen.
Der Selbstbehauptungskurs für Blinde ist für ihn zwar eine ganz neue Erfahrung, die Zielrichtung bleibt jedoch die Gleiche: „Es geht mir nicht darum, Ängste zu schüren, sondern stark zu machen“, erklärt er.
Menschen, die mit Blindenabzeichen und weißem Gehstock unterwegs, würden schnell zum Opfer und damit eher Ziel von Angriffen: „Aus dieser Rolle müsst ihr raus“, betont Eric Block.
Die Idee, Menschen mit Sehhinderungen einen Selbstbehauptungskurs anzubieten, entstand in der Pro Retina Regionalgruppe Niederrhein: „Wir haben uns gefragt, wie wir uns ganz konkret als Blinde wehren können, wenn wir angegriffen werden“ sagt Peter Gabor von der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Netzhautdegeneration.
Vor den Sommerferien entwickelte die Gruppe gemeinsam mit Eric Block das Selbstbehauptungs-Projekt. Der Polizist bespricht mit den sechs Teilnehmern typische Situationen, in denen Gefahr auftauchen könnte. Passiert der Ernstfall in einer Stadt, wo viele Menschen unterwegs sind, rät er dazu sich Unterstützung zu holen: „Versucht Unbeteiligte anzusprechen, die euch helfen können“.
Ist der Sehbehinderten alleine unterwegs, sei es wichtig, immer ein Handy griffbereit zu haben. Im Notfall sei so die Polizei schnell erreichbar.
Andrea Rosemann erinnert sich an eine brenzlige Situation an der Haustür: „Ich habe geöffnet, jemand stand direkt davor und ich wusste nicht wer“, erzählt die Kursteilnehmerin.
Eric Block legt den Teilnehmern ans Herz, solchen Notlagen auf jeden Fall mit Standards vorzubeugen. Andrea Rosemann könnten in Zukunft Sprechanlage und Kette vor der Tür Sicherheit geben: „Ihr sollt euch nicht einschränken müssen und vor lauter Angst das Leben nicht genießen können“, betont Eric Block und gibt den Teilnehmern zum Abschluss der ersten Kurseinheit konkreten Handgriffe zur Selbstbehauptung mit auf den Heimweg.