Karstadt: Eine düstere Zukunftsvision für Rheydt
Mit schwarz verhängten Schaufenstern haben Mitarbeiter von Karstadt am Montag für den Erhalt ihres Kaufhauses demonstriert.
Mönchengladbach/Rheydt. "Innenstadt - Karstadt - Geisterstadt": Dieser Schriftzug prangt auf den mit schwarzem Stoff verhängten Schaufenstern von Karstadt Rheydt. Eine düstere Zukunftsvision für Rheydt, die die Karstadt-Mitarbeiter und viele der Kunden und Passanten unbedingt verhindern möchten.
Die Mitarbeiter sammeln Unterschriften, die große Mehrheit der Kunden solidarisiert sich. Eine Schließung von Karstadt wäre eine Katastrophe für Rheydt, so lautet der Tenor.
Mehr als 10.000 Unterschriften haben die Mitarbeiter inzwischen gesammelt und sie Oberbürgermeister Norbert Bude mitgegeben, der gestern zu einem Treffen der Oberbürgermeister der betroffenen Städte mit Wolfgang Tiefensee, dem Minister für Stadtentwicklung, nach Berlin reiste.
Die Karstadt-Mitarbeiter machen mobil, aber die Stimmung ist gedrückt. "Es geht um Sein oder Nichtsein", sagt Betriebsratsvorsitzende Ursula Richter. "Dass es so weit kommen würde, hat niemand geglaubt." Sie ist wie viele der Mitarbeiter bei Karstadt Rheydt von Beginn an dabei - seit 33 Jahren.
Auch Dieter Hohnen, ebenfalls Betriebsrat, ist seit 1976 bei Karstadt Rheydt beschäftigt. "Man hängt schon an dem Unternehmen", sagt er. Für ihn ist nicht nur, aber auch die Finanzkrise Schuld an der Misere. "Auch durch die Abwrackprämie ist viel Geld in die Autoindustrie abgeflossen", erklärt er.
Peter Christ ist Auszubildender, er braucht noch ein Jahr, um seinen Abschluss als Einzelhandelskaufmann zu machen. Er habe Karstadt viel zu verdanken, sagt er. "Ich habe hier als Verkaufshelfer angefangen und dann einen Ausbildungsplatz bekommen, obwohl ich keinen Schulabschluss hatte", erzählt er. "Eine Schließung von Karstadt kann ich mir nicht wirklich vorstellen."
Abteilungsleiter Dieter Tegeler trifft die Krise gleich doppelt, auch seine Lebensgefährtin ist "Karstädterin". "Das ist schon erschreckend", meint er. "Wir können schneller auf Hartz IV sein, als wir jemals geglaubt haben."
Während Unterschriften gesammelt und die Schaufenster verhängt werden, haben Betriebsrat und Geschäftsführung immer die Entwicklungen in Berlin im Auge. "Heute muss die Entscheidung fallen", sagt Ursula Richter. "Sobald wir etwas wissen, werden die Mitarbeiter umgehend informiert."
Dann wird klar: Der Lenkungsausschuss in Berlin lehnt eine Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro ab. Die Stimmung in Rheydt sinkt tiefer als der Nullpunkt, auf dem sie schon war. Bei einzelnen Mitarbeitern gibt es Tränen.
Fakt ist: Der Lenkungsausschuss hat, wie es in der Hauptstadt heißt, "erhebliche Zweifel" an der Tragfähigkeit des Arcandor-Konzeptes. Die Konzernspitze lässt gestern als Reaktion darauf verlauten, dass man die Hoffnung erst aufgeben werde, wenn auch der Antrag des Konzerns auf einen Notkredit über 437 Millionen Euro abgelehnt werde. Erst dann werde man Insolvenz anmelden.
Diese Horrovision wurde noch am späten Nachmittag zur Realität: Da wurde bekannt, dass die Regierung den 437-Millionen-Notkredit verweigert. Der letzte Tiefschlag für das Traditionsunternehmen?
Immerhin erhielt Oberbürgermeister Norbert Bude gestern in Berlin vom Vorstands-Vorsitzenden der Karstadt-AG, Stefan W. Herzberg, ein "klares Bekenntnis" zum Standort Rheydt.
"Wir müssen uns aber im Klaren sein, dass die Standortsicherung in Rheydt nur Erfolg hat, wenn der Gesamtkonzern überlebt", sagte Bude. Seine Sorge gelte den bangenden Beschäftigten, sei aber auch geprägt vom Wissen um die städtebauliche Bedeutung des Kaufhauses für Rheydt.