Kleingärtner gehen auf Barrikaden
Die Nutzer sollen künftig in ihren Lauben ohne Wasser, Strom und Toiletten auskommen.
Um kurz nach 14 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung: an der Spitze ein Handwagen mit einer Toilette, die mit Flatterband abgeklebt ist. Dahinter Männer, Frauen, Familien mit Kindern, ältere Paare. Einige sind als Gärtner kostümiert mit grünen Schürzen und Strohhüten, andere tragen T-Shirts mit der Aufschrift KGV (Kleingartenverein). Viele halten Schilder in die Höhe: „Wir wollen unseren Strom und unsere Toiletten behalten“ steht darauf, oder „Zurück ins 19. Jahrhundert?“
Mit Regenschirmen und Trillerpfeifen bewaffnet ziehen an diesem Samstagmittag etwa 200 Kleingärtner vom Vereinshaus des KGV Alsbroich bei Nieselregen zuerst an den eigenen gepflegten und blühenden Gärten vorbei, dann über die Straßen hinauf zum Rathaus. Sie haben sogar eine mobile Lautsprecheranlage dabei, auch auf einen Handwagen montiert.
So hört man sie von weither pfeifen und rufen. Und das ist auch der Zweck der Demonstration, an der sich auch andere Kleingartenvereine wie Pilatus Kall aus Lürrip oder Woltershof beteiligen. „Wir wollen gehört werden“, sagt Marita Floer, die energische Vorsitzende der Alsbroicher Kleingärtner.
Für viele Teilnehmer ist es die erste Demo: Die Kleingärtner gehören traditionell eher zu den Stillen im Lande. Aber jetzt wollen sie Aufmerksamkeit erregen — und das gelingt ihnen.
Und darum geht es: Vor zwei Jahren habe die Stadt Mönchengladbach die Kleingärtner aufgefordert, geschlossene 1000-Liter-Tanks für die Abwässer der Lauben einzubauen, erklärt Marita Floer. Einen pro Parzelle — das macht in der Anlage Alsbroich 204 Tanks. Die Kleingärtner sind dem gern nachgekommen und haben mit den Bauarbeiten begonnen. Ihre Lauben sind inzwischen alle mit Strom, fließendem Wasser und Toiletten ausgestattet.
Doch dann folgte vor etwa einem Jahr der Baustopp. Doch nicht etwa die Stadt war der Spielverderber, sondern der eigene Kreisverband. „Der Vorsitzende des Kreisverbandes beruft sich auf das Bundeskleingartengesetz von 1983“, berichtet Manfred Floer, der zweite Vorsitzende der Alsbroicher. „Darin heißt es, dass es weder Strom noch fließendes Wasser oder Toiletten innerhalb der Lauben geben dürfe.“ Die Mönchengladbacher Kleingärtner sind entsetzt. Sie ließen die Arbeiten ruhen und suchten das Gespräch, aber dazu kam es nie. Sie versuchten, die Politik einzubinden, aber auch hier ließ sich nicht viel bewegen. Doch die Schrebergärtner fühlen sich im Recht und verweisen auf die Gartenordnung für Kleingärten der Stadt Mönchengladbach, unterzeichnet von der damaligen Oberbürgermeisterin Monika Bartsch und dem damaligen Vorsitzenden der Kleingärtner Heinz-Josef Claßen. Darin wird geregelt, wie mit Strom- und Wasseranschlüssen sowie Abwässern umzugehen ist.
„Ohne Strom, Wasser und Toiletten sind die Parzellen überhaupt nicht mehr zu verpachten“, ist Marita Floer überzeugt. „Wir brauchen einen Bestandsschutz für die Parzellen.“ Das sei Standard, stimmt Vorstandskollege Theo Ioannides vom Verein Pilatus Kall zu. „Es gibt so viele Familien mit Kindern in den Kleingärten, aber auch sehr viele alte Mitglieder. Wie soll das ohne Toiletten gehen?“
Als die Kleingärtner am Samstag am Rathaus ankommen, treffen sie niemanden an, dem sie ihre Unterschriftenliste übergeben können. Aber sie haben den nächsten Schritt schon geplant. „Wir laden die Vorstände aller 52 Mönchengladbacher Kleingärtenvereine ein“, sagt Marita Floer. „Wir müssen den Kreisverbandsvorsitzenden gegebenenfalls abwählen.“